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Aus: Ausgabe vom 16.10.2024, Seite 8 / Inland
Pödelwitz

»Wir wollen das Dorf erhalten und beleben«

Sachsen: Ein Verein möchte aus dem Ort Pödelwitz ein Modelldorf der kurzen Wege machen. Ein Gespräch mit Sebastian Schöne
Interview: Gitta Düperthal
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Die Substanz ist gerettet, doch sie muss noch mit Leben gefüllt werden. Protestplakat an einer Hausfassade in Pödelwitz (25.8.2020)

Der Verein »Pödelwitz hat Zukunft« e. V. möchte im gleichnamigen sächsischen Dorf an der Tagebaukante im Kohlerevier bei Leipzig zum sozial-ökologischen Strukturwandel beitragen. Was ist geplant, nachdem der Ort gerettet werden konnte?

Wir wollen das ganze Dorf nach einem Konzept beleben, das auf sehr weitgehende Mitbestimmung und Beteiligung setzt, und dafür sorgen, dass die historischen Gebäude dort erhalten bleiben. Bei unserem Verein haben sich bislang etwa 100 Leute gemeldet, die mitwirken wollen. Jeder soll seine eigenen Perspektiven mit einbringen können. Ziel ist, den Ort in ökologischer, kultureller, sozialer und ökonomischer Hinsicht lebenswert zu gestalten. Viele der bisherigen etwa 37 Anwohnerinnen und Anwohner beteiligen sich an Dorfversammlungen, einige sind im Verein Mitglied. Seit drei Jahren arbeiten wir am Konzept eines Modelldorfes der kurzen Wege, um gemeinsames Leben und Arbeiten dort zu verwirklichen. Wir sind dabei, den Kauf des »Vielseithofs« mit Krediten und Spenden abzuschließen, um unsere Ideen dort nun ganz praktisch als Initiativprojekt umzusetzen.

Ist das realistisch? Entscheidungen über die Zukunft des Dorfes Pödelwitz stehen noch aus. Die meisten Gebäude im Ort sind in Händen des Bergbauunternehmens Mibrag beziehungsweise des tschechischen Großkonzerns EPH.

Während die Mibrag in anderen Dörfern bereits dabei ist, die Gebäude zu veräußern, ist der Konzern in Pödelwitz zögerlich. Über deren mögliche Spekulationsvorhaben wollen wir nicht mutmaßen, sondern beginnen zielstrebig unser Projekt Vielseithof umzusetzen, um politische Aufmerksamkeit auf Landkreis- und Landesebene zu erlangen. Wir wollen die etwa 30 Gebäude im Dorf, die teilweise denkmalgeschützt sind, erhalten und beleben. Gespräche mit der Mibrag gab es. Das Unternehmen will keine einzelnen Häuser verkaufen, sondern das ganze Dorf. Wir brauchen die Unterstützung des Landes, wollen verhandeln, damit die Gebäude in öffentliches Eigentum übergehen. Ein Planungsbüro der Kommune hat im September 2023 einen Prozess gestartet, bei dem alle Beteiligten mit am Tisch sitzen, auch die Mibrag. Es geht aber kaum voran.

Das Hofprojekt soll solidarische Landwirtschaft voranbringen, einen ökologischen Baubetrieb betreiben, zugleich ein inklusiver Begegnungsort sein. Wie kamen Sie auf die Idee?

Bedarf nach inklusiver Betreuung ist in Pödelwitz und der Region vorhanden. In unserer politischen Arbeit merken wir zudem, wie wichtig es auch ganz allgemein ist, solche Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen. Da ich vom Dorf komme, weiß ich, wie schnell Probleme entstehen, wenn Begegnungsorte fehlen, wo der Zusammenhalt miteinander gestärkt werden kann. Es geht darum, miteinander ins Gespräch zu kommen, mögliche gegenseitige Vorurteile abzubauen sowie dies im Ort durch unser Zusammenleben und Arbeiten zu verstetigen. Nach unserer Ansicht ist das das Demokratieverständnis, das wir brauchen. Zusätzlich zu den Dorfversammlungen wollen wir eine Dorfkantine als niedrigschwelligen Begegnungsort eröffnen. Es geht um Beziehungsarbeit und gemeinsame politische Meinungsbildung.

Sie wollen die Wohn- und Arbeitswelt im ländlichen Raum inklusiv gestalten. Welche Erfahrungen bringen Sie mit?

Es geht uns tatsächlich um Inklusion; eben nicht etwa um klassische Betreuungsarbeit. Bei uns werden Menschen mit und ohne Beeinträchtigung auf dem Hof gemeinsam leben und arbeiten. Natürlich brauchen wir zudem auch teilweise Fachpersonal. Wir orientieren uns an sozialen Trägern, etwa an der inklusiven Wohngemeinschaft »6 plus 4« in Dresden, und sind mit ihnen im Austausch.

Haben Sie sich mit all dem nicht möglicherweise zu viel vorgenommen?

Freilich würden wir uns mehr politische Unterstützung wünschen. Wir sind bisher als »Ort der Demokratie« mit zwei Personalstellen vom Justizministerium Sachsen gefördert. Als Pödelwitz noch von der Abbaggerung bedroht war, haben wir es ja auch geschafft, das Dorf zu retten: Warum sollten wir es also jetzt nicht schaffen?

Sebastian Schöne ist aktiv beim Verein »Pödelwitz hat Zukunft« e. V.

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