Ratgeber mit Schlagseite
Von Marc BebenrothDie Höcke-Partei weiß um ihre Rolle. Per Massenmedien und Konkurrenzdruck auf CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gibt die AfD offenbar auch ohne Regierungsbeteiligung den Kurs vor. Die Feststellung des aktuellen Antifaschistischen Infoblatts (AIB), wonach absehbar »zumindest Gemeinden, Landkreise und Bundesländer zukünftig von einer AfD-Mehrheit politisch und Gesellschaft geprägt werden«, wirkt daher zu kurz gegriffen. Der Schwerpunkt der vorliegenden Herbstausgabe ist der Frage gewidmet, was es für Antifaschistinnen und Antifaschisten bedeutet, sobald »Parteien der extremen Rechten regieren«. Der Blick auf Staaten, wo dies bereits der Fall ist oder war, dient dabei zur Herleitung von Strategien, wie »einer feindlichen Politik, Verwaltung und Justiz« getrotzt werden könnte.
Die Beschreibung des Szenarios überlässt man dem Politikwissenschaftler Arne Semsrott (fragdenstaat. de). In dem nachgedruckten Auszug aus seinem Buch »Machtübernahme« diskutiert er den Gedanken, mit neu aufzubauenden Kollektivstrukturen »Gesellschaft vor allem lokal zu organisieren, Politik von unten zu machen«. Als Beispiele für eine entsprechende Infrastruktur verweist der Autor auf Autonome Zentren, wie sie in den 1980er und 90er Jahren Verbreitung fanden. Ergänzend müssten »gerade an Orten ohne Versammlungs- oder Meinungsfreiheit« digitale Strukturen, »neue kommerzfreie Räume« geschaffen werden. Verweise auf historische Erfahrungen der Arbeiterbewegung im Kampf gegen Faschisten fehlen. Sie wären von linksliberalen Autoren wie Semsrott aber ohnehin zuviel verlangt.
Eine Gruppe bundesweit vernetzter Nazigegner gibt mit dem »Antifaschistischen Werkzeugkasten« einen praxisorientierten Ratgeber an die Hand. Dieser benennt »13 Dinge, die du gegen die AfD tun kannst«, sowie »12 Dinge, die du dabei beachten solltest«. Erkenntnisse für den eigenen Aktivismus sollten auch Gespräche mit Antifaschisten aus Ungarn, Polen und Österreich liefern, von denen die Interventionistische Linke aus Leipzig berichtet. Zu oft habe man sich in politischen Situationen wiedergefunden, »die absehbar waren und auf die wir besser vorbereitet hätten sein können«.
Für die italienische Regierungspartei Fratelli d’Italia (FdI) unter der Führung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hält Björn Resener fest, welche konkreten Folgen die wiederholten Angriffe auf die Rechte von Minderheiten haben. Der Autor zeichnet außerdem nach, wie sich Melonis »Fratelli« auf EU-Ebene durchsetzen konnten. So sei Italien in Brüssel weit weniger isoliert als Orbáns Ungarn, das außenpolitisch auf Anti-NATO-Rhetorik und Beziehungen zu Russland setzt.
Bezeichnend für die liberale Schlagseite hiesiger »Antifas« sind Beiträge wie der von Xavier Bonnet. Dieser attestiert »Teilen der radikalen Linken in den USA« eine »bemerkenswerte Ignoranz« angesichts des absehbaren Wahlsiegs von Expräsident Donald Trump. Symptome dafür seien »Unerfahrenheit«, »ideologische Erstarrung« und »Gaza«. Als Gewährsmänner dienen Bonnet ausgewählte »Urgesteine«. So würden sich viele junge Linke weigern, »in die Untiefen von Bündnispolitik« abzusteigen. Als kritikwürdig gilt Bonnet also, im Kampf gegen die weitere Faschisierung der USA mit der herrschenden Klasse keine gemeinsame Sache machen zu wollen.
Und wie als weiteren Vorwurf kolportiert Bonnet die Kritik, wonach die sich abwechselnden Regierungsparteien der Republicans und Democrats jungen Linken als zwei Seiten einer kapitalistischen Medaille gelten. Der Autor benennt zu Recht die neue Qualität der Repression gegen Protest von Naturschutzgruppen und Gegnern des Polizeistaats. Doch wer wie Bonnet »progressive« Nichtregierungsorganisationen zu entscheidenden Akteuren im antifaschistischen Widerstand erhebt, beweist tatsächlich »bemerkenswerte Ignoranz«.
Antifaschistisches Infoblatt, Nr. 144: Rechte regieren. Erfahrungen, Einschätzungen, Strategien. 71 Seiten, 3,50 Euro. Bezug: antifainfoblatt.de
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