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Aus: Ausgabe vom 17.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Behemoth des Tages: Britisches Königreich

Von Felix Bartels
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Bei uns liegen die Leichen wenigstens im Keller

Vom Festland besehen scheint Britannien ein Staat gewordenes Panoptikum. Lustig, wenn man nicht gerade dort leben muss. Under construction als Dauerzustand. Jonathan Michael, Chef einer Untersuchungskommission, probt nun den Aufstand gegen das Chaos. In der höchst vitalen Sache des Bestattungswesens. Jeder könne als Bestatter arbeiten und Leichen in seiner Garage aufbewahren, kein Gesetz hindere ihn. »Wir brauchen eine Regulierung, die keine Form von Missbrauch toleriert.« Tatsächlich hatten sich solche Fälle ereignet, ihretwegen war die Kommission eingesetzt worden.

Warum gibt es solche juristischen Leerstellen nach Jahrhunderten Rechtsgeschichte noch? Die Antwort hängt, wie fast alles auf dieser Insel, mit dieser Insel zusammen. Unkillbar wütet in ihr jener Behemoth, den Hobbes beschrieben hat. Es gilt daselbst Gewohnheitsrecht, ein umfassendes, einheitlich abgesondertes Gesetzwerk existiert nicht. Folglich kommt dem Richter eine größere Rolle zu als auf dem Festland, wo allgemeine Gesetzesvorschriften, die besondere Fälle abdecken sollen, die Rechtsquelle sind. Auf der Insel wird der Richter selbst zur Rechtsquelle. Verstreute Präzedenzfälle vergangener Tage müssen bei aktuellen Prozessen berücksichtigt und Abweichungen vom Vorbild gerechtfertigt werden, nicht die Folgeleistung. Das Gewohnheitsrecht ist also präziser ein Recht der Gewohnheit von Richtern. Worin der Charakter der kapitalistischen Gesellschaft sich genauer ausdrückt als etwa hierzulande. Freiheit des Einzelnen, das bedeutet praktisch immer Freiheit derer, die können – freie Herrschaft von Starken über Schwache, Zuständigen über Nichtzuständige.

Die Engländer, sagen wir es nett, sind praktische Leute. Das Aufbewahren von Leichen in Garagen scheint zwar keine sonderlich verbreitete Gewohnheit, solange sich aber kein Urteil gegen sie findet, gilt sie als legal.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (16. Oktober 2024 um 22:50 Uhr)
    Also ist in GB die Thanatopraxie nicht zünftig-monopolistisch organisiert wie in DE? Konkurrenz belebt das Geschäft: Kann man sich auch fernbestatten lassen, Amazon Prime Invers oder so, mit Vorkasse per PayPal? In meinem Alter mache ich mir darüber schon Gedanken. In manchen Gegenden der Welt steht die Oma in der Blechdose auf dem Fensterbrett. Da lobe ich mir den echten Behemoth, der wurde zusammen mit Leviathan vom starken Schwert des Herrn erschlagen und zusammen mit dem Vogel Ziz den Rechtschaffenen zur Speise gegeben. Gangbare Variante für GB? Die essen dort ja auch Fish and Chips mit Essig.
  • Leserbrief von Holger (16. Oktober 2024 um 22:41 Uhr)
    Der Herr Bartels formuliert das etwas ungläubig, aber es ist tatsächlich so: So lange etwas funktioniert, regulieren die Briten nicht. Da kann selbst eine Behelfslösung zum Dauerzustand werden. Und wenn es doch gilt, ein Gesetz zu erlassen, dann ist dies meist recht schmalbändig, weil seine Konkretisierung auf unteren Ebenen erfolgt. Kann sich jemand vorstellen, dass das Arbeitsschutzgesetz ganze 5 Seiten lang ist und trotzdem effektiven Arbeitsschutz gewährleistet? Man müsste aber schon über seinen deutschen Tellerrand hinausblicken können, um zu sehen, dass das verständlicher und effektiver ist, als ein riesiges Gesetzeswerk samt Zusatzbestimmungen und Ergänzungen aufzupumpen, in dem fast keiner mehr durchsieht, nur weil die auch entfernteste Eventualität abgedeckt werden soll. Auf EU-Ebene ist das ja nicht anders. Die Briten wissen schon, warum sie das Theater nicht mehr mitmachen wollten.

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