»Mit Bildung hat das nicht viel zu tun«
Interview: Gitta DüperthalATTAC kritisiert den aktuellen Referentenentwurf der FDP zur Finanzbildung als einseitig und neoliberal. Die beiden FDP-geführten Bundesministerien für Finanzen sowie für Bildung und Forschung wollen ihr Millionen Euro teures Projekt nun per Gesetz verankern. Was ist beabsichtigt?
Die beiden FDP-geführten Ministerien starteten zu Beginn der Legislaturperiode eine »Initiative finanzielle Bildung«. Zusammen mit der OECD entwickeln sie eine Finanzbildungsstrategie, schreiben Forschungsgelder aus und bündeln vermeintliche Bildungsangebote auf einer Plattform. Mit von der Partie sind Lobbyorganisationen aus dem Finanz- und Versicherungsbereich wie die Flossbach-von-Storch-Stiftung. All das kostet im laufenden Haushalt bereits zehn Millionen Euro, finanziert aus den Etats beider Ministerien. Die FDP will das Projekt, das im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen war, verstetigen. Es soll dann jährlich neun Millionen Euro kosten. Selbst wenn die Ampel Geschichte ist, hätten wir weiterhin eine Stiftung, die finanzielle Bildung im Sinn der FDP betreibt. Problematisch ist aus unserer Sicht das Verengen ökonomischer Bildung auf Finanzgeschäfte. Wir sollen lernen, als kleiner Homo economicus an den Finanzmärkten zu spekulieren. Auf der Plattform werden außerdem FDP-Positionen wie die Schuldenbremse als Bildung verkauft.
Geht es auch um die Finanzbildung an Schulen?
Das Projekt an Schulen zu verankern ist nicht so einfach: Bildungspolitik an den Schulen ist Ländersache. Die FDP versucht das voranzutreiben, wenn sie in Landesregierungen vertreten ist.
Werden mit der Initiative privatwirtschaftliche Akteure gegenüber gesellschaftlichen Organisationen und Initiativen aufgewertet?
Beim »Festival für Finanzbildung« am Dienstag (veranstaltet von beiden FDP-Bundesministerien, unterstützt von der Bundesbank und dem hessischen CDU-geführten Finanzministerium, jW) waren »Finanz-Influencer« und andere kommerzielle Anbieter präsent. Die haben eigene finanzielle Interessen und gleich die passenden Produkte zu ihrem »Bildungsangebot« parat. Solche Akteure standen dort unterschiedslos neben unabhängigen Institutionen von der Verbraucher- oder Schuldenberatung. Mit Bildung hat das nicht viel zu tun.
ATTAC wollte sich auch beteiligen. Das wurde abgelehnt – mit welcher Begründung?
Es ist ja offensichtlich: Unser Planspiel zu Finanzmarkt und Gesellschaft, das die Bundeszentrale für politische Bildung würdigte, hätte einiges in Frage gestellt; wie auch unser Bildungsmaterial »Wirtschaft demokratisch gestalten lernen«, das der »Materialkompass« des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes als »sehr gut« bewertete. Für uns sei kein Platz mehr, hieß es. Es gab halt so viele Lobbyisten.
ATTAC hat gemeinsam mit der Otto-Brenner-Stiftung eine Studie herausgegeben. Was ist Ihre Vorstellung, wie finanzpolitische Notwendigkeiten in der Lehre darzustellen sind?
Laut der Studie »Finanzbildung als politisches Projekt« des Erziehungswissenschaftlers Thomas Höhne lassen sich nur acht Prozent der Angebote auf der »Finanzbildungsplattform« als Bildungsmaterial qualifizieren. Bei ökonomischen Fragen sind unterschiedliche Paradigmen zu berücksichtigen. Was ist mit dem Keynesianismus, der dafür eintritt, dass der Staat den Wirtschaftslauf beeinflusst, um konjunkturelle Schwankungen zu glätten und für Vollbeschäftigung zu sorgen; mit Karl Marx oder feministischer Ökonomie? Wir leben in einer Gesellschaft, die von Interessengegensätzen geprägt ist. Über die Interessen, die hinter ökonomischen Theorien stehen, muss gesprochen werden. Es geht nicht an, ein Video zu verbreiten, in dem Finanzminister Christian Lindner erklärt, wie toll die Schuldenbremse ist, ohne zugleich die Kritik daran zu thematisieren.
Sieht ATTAC die Notwendigkeit, den Kapitalismus abzuschaffen?
Angesichts der aktuellen Krisen, speziell der globalen Klimakrise, müssen wir anders wirtschaften. Wie das funktionieren soll, können wir nicht einigen Konzernen überlassen. Das diskutieren wir in unserem Netzwerk.
Holger Oppenhäuser ist Politologe und Mitarbeiter im Bundesbüro des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (18. Oktober 2024 um 12:44 Uhr)»Der Hauptfeind steht im eigenen Land!« (Karl Liebknecht / 1915) Und sie haben sich seit damals sogar noch vermehrt und bekämpfen das Volk nach wie vor mit den gefährlichsten Waffen und den subtilsten Methoden. Und genauso wie damals wird die existenzielle Gefahr von der Masse der gleichgültigen Mitläufer mal wieder nicht erkannt.
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