Die Brombeere reift heran
Von Kristian StemmlerGut dreieinhalb Wochen nach der Landtagswahl in Brandenburg hat sich der neue Landtag konstituiert. Alterspräsident Reinhard Simon (BSW) kritisierte am Donnerstag in seiner Eröffnungsrede in Potsdam die Sanktionen gegen Russland und sprach sich für eine Wiederbelebung der auf Eis gelegten deutsch-russischen Städtepartnerschaften in Brandenburg aus. Bei den anschließenden Wahlen wurde die SPD-Politikerin Ulrike Liedtke mit großer Mehrheit erneut zur Landtagspräsidentin gewählt. Der AfD-Kandidat für einen der Stellvertreterposten, Daniel Münschke, brauchte zwei Wahlgänge, um die notwendige Mehrheit zu erreichen.
Mit Blick auf das Wahlergebnis und das starke Abschneiden der AfD erklärte Liedtke in ihrer Rede, in den vergangenen Jahren sei »Vertrauen verloren gegangen«. Gegenüber »extremistischen« Positionen müsse man klare Kante zeigen, könne sich aber distanzieren, ohne zu zensieren und auszugrenzen, sagte die Präsidentin. Liedtke schlug die Einrichtung von »Bürgerräten« vor, um Zustimmung durch die Bevölkerung wieder zu steigern und diese in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Unterdessen stehen in Brandenburg, ebenso wie in Thüringen und Sachsen, wichtige Entscheidungen bei der Regierungsbildung an. In allen drei Ländern spielt das BSW eine entscheidende Rolle, weil keiner mit der AfD koalieren will. In Sachsen waren am Mittwoch die »Kennenlerngespräche« von CDU, BSW und SPD erfolgreich beendet worden, wie die Leipziger Volkszeitung berichtete. CDU und SPD hatten am späten Mittwoch abend wortgleich mitgeteilt, die drei Parteien hätten »intensiv und konstruktiv« über wichtige landespolitische Themen beraten. Hierbei seien »Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede und weiterer Gesprächsbedarf herausgearbeitet worden«.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nannte am Donnerstag bei Welt-TV allerdings auch eine Minderheitsregierung als Option, »wenn die Koalitionsgespräche scheitern«. Eine solche müsse sich dann aber ihre Mehrheiten suchen, das BSW werde sie nicht tolerieren. Sie warf der sächsischen CDU vor, diese wolle ohnehin lieber eine Minderheitsregierung, »wo sie sich wahlweise dann auch bei der AfD Stimmen holen können«.
Geplant ist, dass sich die Landesvorstände der drei beteiligten Parteien bis zum Wochenende mit den Ergebnissen der Gespräche auseinandersetzen. Die Gremien von BSW und SPD wollten am Donnerstag zusammenkommen, die CDU an diesem Freitag beraten. Sie müssen jeweils formal die Aufnahme von Sondierungsgesprächen beschließen. Eine sogenannte »Brombeer-Koalition« aus CDU, BSW und SPD ist in Sachsen die einzige Koalition, die eine Mehrheit im Landtag bilden kann und nicht von einer der beteiligten Parteien ausgeschlossen wird. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lehnt ein Bündnis mit der AfD ebenso ab wie mit der Linken.
In Thüringen ist man schon einen Schritt weiter. Hier haben CDU, BSW und SPD laut dpa bereits ihre Sondierungsgespräche abgeschlossen und ein Papier erarbeitet. Auf dieser Grundlage sollen Gremien der drei Parteien Ende dieser Woche über Koalitionsverhandlungen entscheiden. Nach Angaben der Parteispitzen verliefen die Gespräche recht vertrauensvoll und ernsthaft. In Erfurt hätte eine »Brombeer-Koalition« mit 44 von 88 Stimmen keine Mehrheit, wäre auf Stimmen der Linkspartei angewiesen.
In Brandenburg ist die Lage einfacher. Die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke hätte alleine mit dem BSW schon eine Mehrheit. Dafür laufen bereits länger Sondierungen, über deren Inhalte bisher nichts nach draußen gedrungen ist. Woidke erklärte, die Gespräche seien bis jetzt erfolgversprechend verlaufen und auch BSW-Landeschef Robert Crumbach sprach von »guten Gesprächen«. Eine Hürde sind hier wie auch in Sachsen und Thüringen die außenpolitischen Forderungen des BSW. Wagenknecht will in allen drei Bundesländern außer der Eindämmung von Migration vor allem zwei Ziele in den Koalitionsverträgen verankert sehen: diplomatische Bemühungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs und eine Absage an die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen.
Was die erste dieser beiden Forderungen angeht, haben Kretschmer, Woidke und der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt kürzlich bereits Entgegenkommen signalisiert. In einem gemeinsamen Gastbeitrag in der FAZ forderten sie Anfang Oktober verstärkte Bemühungen Deutschlands für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg. Von Wagenknecht gab es ein Lob für den Vorstoß.
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