Vorarlberg geht voran
Von Dieter Reinisch, WienIn Österreich lässt seit den Nationalratswahlen vom 29. September eine Regierungsbildung auf sich warten. Die rechte FPÖ hat die Abstimmung deutlich gewonnen. Das am Mittwoch veröffentlichte amtliche Ergebnis weist die Partei mit 28,8 Prozent aus. Ein Plus von 12,6 Prozentpunkten und 2,5 Prozentpunkte Vorsprung vor der Kanzlerpartei ÖVP. Die Sozialdemokraten unter Andreas Babler liegen mit 21,1 Prozent auf Platz drei.
Alles deutet auf eine Dreierkoalition der beiden Wahlverlierer mit den liberalen Neos. Doch Bundespräsident Alexander Van der Bellen (Grüne) hat noch immer keinem Parteichef den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Traditionell hat dabei die stimmenstärkste Partei den Vorzug. Doch ob Van der Bellen, der einst FPÖ-Chef Herbert Kickl als Innenminister entließ – die einzige Ministerentlassung in der Zweiten Republik –, dieser Regel folgt, ist ungewiss. Auf Bitte Van der Bellens sollten diese Woche die Parteichefs zusammenkommen, um »miteinander zu reden«. Am Mittwoch haben sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Babler getroffen, einen Tag zuvor Kickl und Nehammer, und am Donnerstag konferierten Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Babler.
Alle Gespräche fanden an unbekannten Orten statt, und von den Inhalten sollte nichts an die Öffentlichkeit dringen. Ausnahme war der Dienstag: Nach dem Treffen mit Kickl ging Nehammer sofort vor die Presse und erklärte, dass es keine Koalition mit der Kickl-FPÖ geben würde. Er wolle kein »Steigbügelhalter« für den Rechtsaußen sein. Der FPÖ-Chef reagierte prompt und ging in die Offensive: Er wolle mit Hilfe von Kräften innerhalb der ÖVP, die ein Bündnis mit den Rechten wünschten, Kanzler werden. Sogar einen Fahrplan für Koalitionsverhandlungen legte Kickl vor, um »bis Mitte November eine Einigung« zu erzielen. Noch hält die Fraktion in der ÖVP still, die sich eine Koalition mit der FPÖ vorstellen kann. Doch Nehammer ist nach dem Verlust von Platz eins und von 11,2 Prozentpunkten angeschlagen. Die Industriellenvereinigung verlangt schon seit dem Wahlabend eine rechtsbürgerliche Zweierkoalition.
Während im Bund die ÖVP noch abwinkt, wird es dazu in Vorarlberg wohl kommen. Im westlichsten Bundesland hat die ÖVP am Sonntag zwar mit Verlusten Platz eins gehalten, die FPÖ konnte ihren Anteil mit 28 Prozent aber glatt verdoppeln. Am Donnerstag traf sich ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner zu Gesprächen mit der FPÖ. Am Montag werden Koalitionsverhandlungen beginnen. Mit seinem bisherigen Partner, den Grünen, will Wallner nicht mehr koalieren. Und nach Wien schickt er ein klares Zeichen: Eine Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos schließt er in seinem Bundesland aus.
Vorarlberg wäre das vierte Bundesland nach Salzburg, Ober- und Niederösterreich, in dem ÖVP und FPÖ koalieren. Ähnliches könnte der Steiermark blühen: Dort wird im November gewählt, und im Gespräch mit der Presse erklärte ÖVP-Landeschef Christopher Drexler am Donnerstag, nur eine Partei komme als Bündnispartner nicht in Frage: die KPÖ. Van der Bellen will sich derweil diesen Freitag wieder mit Kickl, Nehammer und Babler treffen.
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