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Aus: Ausgabe vom 18.10.2024, Seite 8 / Ausland
Faschismus in Spanien

»Vor Gericht gab es für die Opfer keine Gerechtigkeit«

Spanien: Franco-Stiftung soll geschlossen werden. Großer Bedarf an Erinnerungsarbeit zum Faschismus. Ein Gespräch mit Félix Ramos Toscano
Interview: Carmela Negrete
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Auf einer Namensliste können Angehörige von 245 Opfern der Franco-Diktatur sich informieren, ob die Leichen ihrer Verwandten zwischen 2016 und 2017 exhumiert worden sind (Valladolid, 16.2.2020)

Die spanische Regierung hat angekündigt, die »Nationale Francisco-Franco-Stiftung« schließen zu wollen. Was bedeutet dieser Schritt?

Die Franco-Stiftung hätte schon längst geschlossen werden müssen. Sie ist ein Verein, der die Figur des Diktators verherrlicht. Das ist so, als gäbe es in Deutschland einen »Adolf-Hitler-Verein«. Lange Zeit erhielt diese Stiftung öffentliche Gelder. Ihre Existenz ist bis heute etwas Antidemokratisches. Der Diktator konnte friedlich im Bett sterben. Später hat man die Wahrheit über die Vergangenheit verschwiegen. Sowohl das republikanische als auch das franquistische Spanien leben im Grunde bis heute fort. Mit vielen Menschen muss man darüber streiten, ob die Diktatur überhaupt etwas Negatives war.

Das Ministerium für Demokratisches Andenken plant, eine »Wahrheitskommission« einzurichten. Was soll deren Aufgabe sein?

So etwas hat man zum Beispiel in Lateinamerika gemacht. Eine Gruppe von Experten, die mit Historikern, Opfern sowie Familienangehörigen sprechen und Berichte erstellen sollen, um der Wahrheit über Menschenrechtsverletzungen näher zu kommen. Selbstverständlich ist so etwas abhängig von den ernannten Mitgliedern dieser Kommission. Manchmal wollen die Vertreter des Staates mit solchen Gremien eher inszenieren, dass die Sache erledigt sei, und dafür sorgen, dass es Ruhe gibt. Im Grunde müsste die Wahrheit über die Franco-Diktatur ein Gericht feststellen, das auf Menschenrechte spezialisiert ist.

Was hat sich für Vereine wie den Ihrigen mit dem Amtsantritt der sozialdemokratisch geführten Regierung in Madrid geändert?

Die Regierung führt vor allem die Exhumierungen menschlicher Überreste durch. So werden auf dem Friedhof hier in Huelva die Arbeiten am Massengrab fortgeführt. Man schätzt, dass dort zwischen 2.400 und 4.000 Menschen verscharrt worden sind. Diese Arbeit ist sehr wichtig, damit die Angehörigen ihre Familienmitglieder würdig begraben können. Die Mittel kommen von der Zentralregierung.

Finanziert die andalusische Regionalregierung diese Arbeit nicht, weil sie vom rechtskonservativen Partido Popular geführt wird?

Das weiß ich nicht. Wir hatten davor jahrelang eine Regierung der Sozialdemokraten in Andalusien, sogar eine Zeitlang mit der Vereinigten Linken. Sie haben ein Gesetz auf den Weg gebracht, aber auch sie finanzierten die Exhumierungen kaum.

Im Juli hatte die spanische Regierung auch die politischen Gerichtsurteile der Franquisten für nichtig erklärt. Was muss noch alles nachgeholt werden in der Aufarbeitung des Krieges und der Diktatur?

Es sind unzählige Aspekte. Die Bildungsarbeit an den Schulen oder das Erzählen der Geschichte der Opfer. Immer noch haben wir sehr viele Monumente oder Straßennamen für Faschisten. Vor Gericht gab es für die Opfer keine Gerechtigkeit. Die Exhumierungen wurden anfangs von Historikern in ihrer Freizeit oder von Vereinen wie unserem durchgeführt. Heute machen das zwar Archäologen, eigentlich müssten das aber Gerichte anordnen und Forensiker die Überreste untersuchen, so wie in Argentinien.

Was ist darüber bekannt, was die Nazis und ihre »Legion Condor« in der Region Huelva anrichteten?

Es gab eine NSDAP-Zentrale in der Calle de Roque Barcia in Huelva. Später wurde der Straßenname in »Allee des Generalissimus« geändert, denn Roque Barcia war Republikaner. Es gab Bombenangriffe auf Huelva, Nerva und andere Bergarbeiterdörfer, wahrscheinlich von spanischen Flugzeugen, die bei Sevilla stationiert waren. Ob das die »Legion Condor« war, weiß man nicht.

Woran arbeitet Ihr Verein zur Zeit?

Wir haben in den vergangenen 20 Jahren viele Bücher, Dokumentationen und Tagungen gemacht. Momentan konzentrieren wir uns auf die republikanischen Lehrerinnen und Lehrer, die damals der Landbevölkerung in der Provinz lesen und schreiben beigebracht haben. Ihre Arbeit brauchte viel Mut, und manche sind bestraft worden, insbesondere die, die auch politisch aktiv waren.

Félix Ramos Toscano ist Kfz-Mechatroniker, Hobbyhistoriker und Vorsitzender des Vereins Foro por la Memoria de Huelva

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