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Aus: Ausgabe vom 18.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Ihre Sicherheit

Überwachungspaket im Bundestag
Von Nick Brauns
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Plenardebatte zum Thema »Innere Sicherheit« im Bundestag (12.9.2024)

Als »Sicherheitspaket« bezeichnet die Ampelregierung euphemistisch ihr jüngstes Maßnahmenbündel mit Einschränkungen von Grund- und Menschenrechten, das am Freitag im Bundestag zur Abstimmung kommt.

Offizieller Anlass ist die Messerattacke eines mutmaßlichen Islamisten auf einem Volksfest in Solingen mit drei Toten im August. Verhindert werden hätte dieser Angriff mit den geplanten Gesetzesänderungen nicht. Vielmehr haben die Regierenden hier einen willkommenen Anlass gefunden, um schon lange von den staatlichen Repressionsbehörden gehegte Überwachungsphantasien ohne größere Widerstände in Gesellschaft und Bundestag im Eiltempo durchs Parlament zu jagen.

Selbst innerhalb der Ampelparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist noch zaghafte Kritik an den geplanten, teilweise womöglich verfassungswidrigen Asylrechtsverschärfungen vernehmbar. Dagegen geht in der Öffentlichkeit weitgehend unter, dass mit dem Gesetzespaket erste Grundlagen für flächendeckende biometrische Überwachung in Deutschland geschaffen werden. So soll Bundeskriminalamt und Bundespolizei die Fahndung anhand von Fotos und Stimmen im Internet schon beim Verdacht auf »besonders schwere Straftaten« erlaubt sein. Zu solchen zählen neben Mord, Vergewaltigung und Drogenhandel etwa auch das »Einschleusen von Ausländern« und Unterstützung beim Betrug im Asylantrag.

Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll sich zur Identitätsfeststellung von Flüchtlingen des Mittels der Gesichtserkennung mit Bildern aus dem Internet bedienen dürfen. Voraussetzung dafür ist, dass die Behörden über umfangreiches Datenmaterial verfügen, was auf anlasslose Vorratsdatenspeicherung von persönlichen Körperdaten herausläuft. Die Ausweitung von Messerverbotszonen, die die Polizei vielerorts zu anlass- und verdachtsunabhängigen Kontrollen und Durchsuchungen ermächtigt, droht zum Freibrief für »Racial Profiling« zu werden.

Dass es mitnichten nur um die Jagd auf Islamisten geht, machte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) jüngst deutlich. Das Paket sei »die richtige aktuelle Antwort auf die erheblichen Bedrohungen durch islamistischen Terrorismus, durch Antisemitismus, durch Rechts- und Linksextremismus«. Unter den entgrenzten Vorwurf des Antisemitismus werden bekanntlich schon Proteste gegen Israels Genozid in Gaza und dessen deutsche Unterstützung gezählt. Ebenso inflationär wird der Extremismusvorwurf gegen Kritiker der Aufrüstungs- und Kriegspolitik bemüht. Auch junge Welt wird vom Inlandsgeheimdienst als das »bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus« aktiv bekämpft.

So zielt das »Sicherheitspaket« mitnichten auf den Schutz der Bürger vor Gewaltkriminalität. Die Maßnahmen fügen sich vielmehr in einen forcierten reaktionär-militaristischen Staatsumbau ein. Für die vom Verteidigungsminister bis 2029 angestrebte Kriegstüchtigkeit gilt es, Ruhe an der Heimatfront zu sichern.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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