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Aus: Ausgabe vom 18.10.2024, Seite 15 / Feminismus
Geburt

Regierung lässt Familien im Stich

Freistellung nach Geburt vereinbart, aber nicht umgesetzt. Klage gegen BRD läuft
Von Carmela Negrete
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Es gibt kaum eine erfolgreiche soziale Maßnahme, die das Bündnis 90/Die Grünen im Gegenzug für ihre Regierungsbeteiligung vorzuzeigen hat. Das betrifft auch die sogenannte Familienstartzeit, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Frisch gebackene Eltern sollen so gemeinsame Zeit bei vollem Lohnausgleich mit ihrem Baby verbringen können, und zwar ohne auf Urlaub oder Elternzeit zurückgreifen zu müssen. Letzteres bedeutet in der Tat eine Kürzung des Gehalts. Geplant sind zwei Wochen »vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes«. Eigentlich sollte das Familienstartzeit-Gesetz Anfang 2024 in Kraft treten.

Und selbst wenn die Maßnahme mit Verspätung kommen sollte, wird das von Elisabeth Paus (Grüne) geführte Familienministerium (BMFSFJ) im Grunde lediglich eine Forderung aus der EU umsetzen, weswegen die Bundesrepublik bereits sogar ein Vertragsverletzungsverfahren kassiert hat. Die »EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige« sieht diese zweiwöchige Freistellung vor, die bereits seit 2022 umgesetzt sein sollte. Die Rechtsanwältin und Autorin Sandra Runge, Spezialistin für Arbeitsrecht, verklagt deshalb die Bundesregierung, weil sie das Familienstartzeit-Gesetz bisher nicht umgesetzt hat. Anfang Oktober erklärte sie in der Zeitschrift Edition F, wie viele Familien im Stich gelassen wurden, die mit dieser Hilfe gerechnet hatten. Sie vertritt dabei mehrere Väter, die sich ihrer Fürsorgeverantwortung bewusst sind.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist mit dem Gesetzentwurf nicht einverstanden, so der Flurfunk im Bundestag, auf den sich verschiedene Berichte berufen. Auch der SPD-Abgeordnete Sönke Rix sprach im Juni gegenüber dpa von einer »FDP-Blockade«. Schon im Januar hatte er darauf hingewiesen, dass »die zehntägige Freistellung von Partner*innen nach der Geburt eines Kindes, wie im Entwurf der Familienstartzeit vorgesehen, wegen finanzieller Differenzen« auf Eis liege. Zur Zeit könnten sich nur große Unternehmen eine solche Freistellung leisten, so der Sozialdemokrat: »Wir plädieren für eine solidarische Finanzierung über eine Umlage, damit diese Freistellung nicht zum Privileg« werde.

Konkret sind es bis zu zehn Arbeitstage, für die sich Partner, die in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt sind, ab dem Tag der Geburt oder dem darauffolgenden ersten Arbeitstag freistellen lassen können. Ein Recht, das ohne Anmeldefrist in Anspruch genommen werden kann, steht im Entwurf. Lediglich der geplante Entbindungstermin ist anzugeben. Dennoch wird die freigestellte Zeit vom gesamten Elternzeitanspruch gestrichen. Wer als »Partner« gilt, soll von der Mutter bestimmt werden. Es muss dabei keine Liebesbeziehung bestehen, so dass auch Freunde helfen können und Alleinerziehende ebenso von der Familienstartzeit profitieren können. Die Vergütung, die »Partnerschaftslohn« genannt wird, soll sich danach richten, was die Person in den letzten drei Monaten vor der Geburt verdient hat. Die Lohnkosten sollen den Unternehmen erstattet werden. Eingefordert werden kann auch ein sogenanntes Zeugnis der Geburt mit dem Namen der Mutter und des gewählten Partners. Es darf nur von Ärztinnen und Ärzten oder Hebammen und Entbindungshelfern ausgestellt werden.

Im Juni hatte die Abgeordnete Gökay Akbulut (Die Linke) bei der Bundesregierung nachgefragt, wann mit einer Umsetzung des Gesetzes zu rechnen sei. Diese ließ wissen: »Der Referentenentwurf wird zwischen den Ressorts beraten. Das BMFSFJ setzt sich weiterhin für die Einführung der Familienstartzeit ein, auch wenn sich aus der Vereinbarkeitsrichtlinie diesbezüglich kein Umsetzungsbedarf für Deutschland ergibt.« Die Regierung verweist auf die Absicherung durch das Elterngeld – da das aber einer Lohnkürzung entspricht, könnte die Klage der Anwältin Runge eventuell Erfolg haben.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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