Ein Fest für die Börse
Von Klaus FischerDie Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag erneut den maßgeblichen Leitzins gesenkt. Damit reagiert die Notenbank nach eigenen Bekenntnissen auf die (angeblich) sinkende Inflation – und vor allem auf die komatöse Wirtschaftsdynamik im Währungsraum. Am Aktienmarkt wurde das gebührend gefeiert. Die »Währungshüter« aus Frankfurt senkten den Einlagenzins, den Banken für bei ihr geparktes überschüssiges Geld erhalten, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent. Es ist bereits der dritte Zinsschritt nach unten in diesem Jahr.
Die Argumente für jegliche derartige Notenbankeingriffe ähneln sich zwangsläufig. Zinsen werden vor allem dann gesenkt, wenn auf Grund wirtschaftlicher Stagnation oder gar Rezession (Rückgang der Wirtschaftsleistung innerhalb zweier Abrechnungsperioden) der »Preis des Geldes« (Zins) zu hoch und eine neue Verschuldung für Unternehmen und Konsumenten zu teuer ist. Das ist der klassische kapitalistische Ansatz, mit dem Wirtschaft und Konsum belebt werden sollen.
Zu Zinserhöhungen greifen die Notenbanken (oft zögerlich) vor allem dann, wenn die Geldentwertung zu stark ist und droht, das volkswirtschaftliche Gleichgewicht nachhaltig zu stören – wie zuletzt als Folge der Wirtschaftskriegserklärung des Westens (USA/NATO, EU und Anhang) gegenüber der Russischen Föderation im Februar 2022.
Nun ist die Inflationsberechnung der Notenbanken und der staatlich gelenkten Statistiker die eine Sache, die »gefühlte« bzw. individuell erlebte Inflation eine ganz andere. Während amtliche Statistiker die Berechnungsmethoden durchaus »flexibel« zu handhaben in der Lage sind – nicht zuletzt durch die Zusammenstellung der Warenkörbe und der Gewichtung der darin aufgenommenen Güter und Dienstleistungen –, wirkt sich eine hohe Inflation vor allem auf jene Teile der Bevölkerung schmerzhaft aus, die über geringe Einkommen verfügen und kaum auf Rücklagen (Ersparnisse, Geldanlagen etc.) zurückgreifen können. Zinserhöhungen treffen indes zumeist Unternehmen und Konsumenten, die hohe Verbindlichkeiten haben und deren Schuldendienst sich dadurch verteuert.
Kurz gesagt: Senkungen und Erhöhungen lassen im gesellschaftlichen Maßstab stets Gewinner und Verlierer zurück. So stieg nach Verkündung der Leitzinssenkung der deutsche Aktienleitindex (Dax 40) am Freitag auf ein erneutes Hoch von 19.634 Punkten. Es lohnt sich offenbar, Geld zu leihen und es an der Börse »arbeiten« zu lassen. Die ohnehin mageren Zinsen auf Sparguthaben bei Banken und Sparkassen dürften indes wieder Richtung Null marschieren.
Aktuell kommt ein entscheidendes Phänomen hinzu: die enorm hohe Staatsverschuldung. Vor allem die großen und wirtschaftlich bedeutenden EU-Staaten (der Schuldenweltmeister USA ohnehin; aber der hat ja den Dollar als Weltleitwährung, um die Schulden weltweit zu sozialisieren) sind kaum noch in der Lage, ihre immer höheren Etats solide zu refinanzieren. Sowohl Deutschland als auch Frankreich ergreifen nun wieder Maßnahmen, die bestimmte Leistungen des Staates verringern und zugleich die Steuer- und Abgabenlast erhöhen.
Die »Inflationsbekämpfung« mittels Zinserhöhungen verteuerte den staatlichen Schuldendienst erheblich. Das erklärt auch den politischen Druck, unter dem die EZB als Teil des ineinander verzahnten – und offensichtlich wirtschaftlich festgefressenen – EU-Systems steht, die Zinsen zu senken. Die oft beschworene Unabhängigkeit der westlichen Notenbanken darf ohnehin angezweifelt werden.
Unabhängig davon ist die Zinspolitik kein wirtschaftliches Allheilmittel. Schon gar nicht dann, wenn die strukturellen Probleme sich seit Jahrzehnten auftürmen, bzw. durch destruktive politische Maßnahmen neu geschaffen wurden. Mit der Zinssenkung habe die EZB den Konjunktursorgen im Euro-Raum stärker Rechnung getragen, kommentierte Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken die Maßnahme gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Er warnte vor Illusionen: »Leitzinssenkungen werden die hartnäckige, weil strukturelle Wachstumsschwäche nicht beseitigen.« Gerade Deutschland brauche wirtschaftspolitische Weichenstellungen.
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