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Aus: Ausgabe vom 18.10.2024, Seite 10 / Feuilleton
Kino

Wunderdinge aus Mären alter Zeit

Impotenz, Sabotage, der Nibelungen Not: Der epische Film »Hagen – Im Tal der Nibelungen«
Von Maximilian Schäffer
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Malerische Trieblandschaft: »Die Herren waren milde, dazu von hohem Stamm«

Die größte Geschichte aller Zeiten? Angeblich Jesus. Der größte Feldherr aller Zeiten? Angeblich Österreicher. Die größte Sage aller Zeiten? Wir sind beim Thema: Angeblich das Nibelungenlied. Laut Plakat zum neuen Megaprodukt der Constantin Film verhält es sich so. Mitfinanziert haben den Pilotfilm zur zukünftigen Serie auf RTL Filmförderungen von Deutschland, Tschechien und Island. So viel Geld für wenig Spaß – weit mehr als 15 Millionen Euro liegen auf Walhalla. Das ist allerdings nur so viel, wie einst eine einzige Folge »Game of Thrones« ungefähr kostete.

Was dabei rauskommt, wenn sich professionelle Schnellspritzer mal am kleinen Kassenhäuschen bedienen dürfen, ist trauriges Zeugnis der Zeugungsunfähigkeit des europäischen, vor allem natürlich des deutschen Films. Um was es in den 133 Minuten »House of Dragon« oder »Vikings« oder »Lindenstraße« mit Nibelungengeschmack geht, versteht kein Mensch. Offiziell basiert »Hagen – Im Tal der Nibelungen« auf dem 1986 erschienenen Roman »Hagen von Tronje« des Fantasyautors Wolfgang Hohlbein. Die Dialoge aber scheinen von KI generiert, denn keiner der Schauspieler mag verstehen, was der andere ihm sagt. Ernstbuschschauschpielschulhochdeutsch (Jannis Niewöhner als Siegfried) beantwortet fürchterlichstes Genuschel (Lilja van der Zwaag als Kriemhild), beantwortet österreichisches Genäsel (Dominic Marcus Singer als König Gunter). Der Niederländer Gijs Naber in der Titelrolle versteht auch kein Wort.

Nicht nur dialektal quasseln alle vor sich hin. Wo samma na mir? In Worms, Brabant, Xanten, Burgund oder doch in Kalifornien? Ganz hollywoodtypisch wurde bei aller Geldmacherei und -schinderei nämlich für »Diversity« gesorgt. Dunkelhäutige Menschen sind im deutschen Mittelalter Kampfsklaven und Zwerge keine Menschen, so lernen wir.

Bei so wenig Budget muss man an allem sparen. Aktuellen Prozessorleistungen und KI-generierten Routinen gemäß, darf der Kinogänger keinesfalls erwarten, dass es ein Effektteam im Jahr 2024 schaffen kann, dass die Lava eines feuerspeienden Vulkans im Hintergrund nicht stottert. Nach anderthalb Stunden Gequatsche fährt Gunter dann übers Meer zur Walküre, die aussehen muss wie Tilda Swinton. Starke androgyne Frauen, dazu Ausdruckstanz. Der Soundtrack donnert genauso blöde dahin wie der platte Pseudofeminismus. Dazwischen Johnny Cashs »Ring of Fire« in möglichst anämischer Version von irgendeinem Mauerparkmauerblümchen gehaucht. Nicht einmal Richard Wagners zweite Akte sind so langweilig – und dramaturgisch ungeschickt! Dialoge direkt aus der Algorithmenhölle. Drehbuchautoren sind auch teuer. Die beiden Regisseure Cyrill Boss und Philipp Stennert, zwei C-Film-Dienstleister aus dem Portfolio, eher nicht.

Der Film will nicht enden, plötzlich eine Kampfszene im Wald. In der DDR wie in der BRD gab und gibt es eine große Mittelalterszene, Rollenspielnerds, Wikingerromantik – Fachkräfte also. Aber weder In Extremo noch Schandmaul spielen hier zum Tanz auf. Der Film will internationalen Ansprüchen genügen, ist aber universal dilettantisch. Selbst die Reiterszenen beschränken sich darauf, irgendwie die Kamera mit Bewegung zu füllen. Antifaschisten dürfen beruhigt sein: Hier wird keine Identität gestiftet. Dem Film ist Deutschland völlig egal, auch die Sage und ihre Literatur interessieren ihn nicht die Bohne. Im Gegenteil: So viel offensichtliche Unfähigkeit und künstlerische Selbstsabotage gewöhnen einem Gedanken ans Deutschsein herzlich ab.

Übrigens, Stefan Raab ist wieder da! Vielleicht darf er in der nächsten »Passion« auf RTL ja den Siegfried spielen. Dazu Dieter Bohlen als Hitler im Dschungelcamp von Mittelerde und Patricia Blanco als Schneeelfe Freya. Das Medienboard Berlin-Brandenburg freut sich auf weitere Förderanträge aus den Tentakeln des Privatfernsehens.

»Hagen – Im Tal der Nibelungen«, Regie: Cyrill Boss und Philipp Stennert, BRD/Tschechische Republik 2024, 135 Min., bereits angelaufen

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