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Aus: Ausgabe vom 26.10.2024, Seite 1 / Titel
Kanonenbootpolitik gegen China

EU teilt China

EU-Parlament verabschiedet Taiwan-Resolution. Im Hintergrund wirkt antichinesische Lobby in USA
Von Jörg Kronauer
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Rote Linie in der Taiwanstraße zwischen der Volksrepublik China und der abtrünnigen Insel Taiwan (Symbolbild)

Das EU-Parlament schließt sich einer neuen, in den USA initiierten Kampagne gegen China an und fordert die Aufnahme Taiwans in Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Wie es in einer Resolution des Parlaments vom Donnerstag nachmittag heißt, müssten sich die EU und ihre Mitgliedstaaten für eine »tiefergehende Beteiligung« der Insel zum Beispiel an der WHO oder auch an zwischenstaatlichen Zusammenschlüssen wie Interpol starkmachen. Taiwan sei zudem ein »Schlüsselpartner der EU«, mit dem man auch sonst enger zusammenarbeiten solle. So sprechen sich die Abgeordneten dafür aus, ein EU-Investitionsabkommen mit Taipeh zu schließen und häufiger offizielle Parlamentsdelegationen dorthin zu entsenden. Darüber hinaus seien weitere »politische Treffen« anzustreben – »auf allen Ebenen«.

Das EU-Parlament begründet seine Forderung mit einem offenen Angriff auf die UN-Resolution 2758. Mit dieser entzog die UN-Generalversammlung am 25. Oktober 1971 den Sitz Chinas bei den Vereinten Nationen dem abtrünnigen Militärregime in Taipeh unter Chiang Kai-shek und übertrug ihn der Volksrepublik. Seitdem ist Taipeh – marginale Ausnahmen bestätigen die Regel – nicht mehr in UN-Organisationen vertreten. Damit folge die UNO einer bösartigen Fehlinterpretation der Resolution 2758 durch Beijing, behauptete EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit jetzt vor dem EU-Parlament; schließlich tauche das Wort »Taiwan« in dem UN-Dokument überhaupt nicht auf. Man dürfe daher Vertreter Taiwans auch nicht aus UN-Organisationen ausschließen.

Schmits Spitzfindigkeit ist dabei nicht auf dem Brüsseler Mistbeet gewachsen, sondern in Washington. Dort verabschiedete das Repräsentantenhaus im vergangenen Jahr einen Taiwan International Solidarity Act, der als gedankliche Blaupause für die Taiwanresolution des EU-Parlaments gelten kann. Ähnliche Parlamentsbeschlüsse wurden inzwischen zudem in Australien und in den Niederlanden gefällt. Angestoßen wurden sie jeweils von Mitgliedern der antichinesischen Lobbygruppe Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), so auch im Strasbourger Fall. Das Problem: Die Begriffsklauberei ist Unfug. Schließlich firmierte Taipeh in der UNO, bevor es ausgeschlossen wurde, nie als »Taiwan«, sondern stets als »Republik China« – insofern konnte die UN-Resolution 2758 gar nicht auf »Taiwan« rekurrieren.

Die Resolution des EU-Parlaments geht noch einen Schritt weiter. Sie kritisiert prinzipiell, dass China seine Streitkräfte aufrüstet, fordert aber zugleich, die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten »ihre maritimen Kapazitäten« im Süd- und im Ostchinesischen Meer aufstocken. Zudem »lobt« sie ausdrücklich die Durchfahrt von Kriegsschiffen Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande durch die Taiwanstraße, die darauf zielt, Beijing zu provozieren und gegen die Volksrepublik gerichtete Kräfte in Taiwan zu befeuern.

Die Resolution wurde mit einer erdrückenden Mehrheit von 432 gegen 60 Stimmen bei 71 Enthaltungen angenommen. Mit Blick darauf, dass das Parlament in Sachen Taiwan an einer hinlänglich bekannten roten Linie der Volksrepublik zündelt, warf Ruth Firmenich (BSW) – als einzige deutsche Abgeordnete in Strasbourg – die berechtigte Frage auf, ob die EU denn wirklich zusätzlich zum Ukraine-Krieg »noch einen Konflikt mit China« wolle. Sie warnte: »Kriegsbesoffenheit ist kein Konzept internationaler Politik.«

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