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Aus: Ausgabe vom 26.10.2024, Seite 2 / Ausland
Kohleabbau in Kolumbien

»Wer sich wehrt, wird eingeschüchtert«

Protest gegen Steinkohleabbau durch europäische Konzerne in Kolumbien. Ein Gespräch mit David Berger
Interview: Gitta Düperthal
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Protest gegen den Import von Steinkohle (Hamburg, 5.10.2019)

Zum Biodiversitätsgipfel COP 16 der UNO in Kolumbien hat das Klimaschutznetzwerk »Still Burning« am Montag Protestaktionen gestartet. Niederländische, deutsche und kolumbianische Aktivisten protestieren gemeinsam gegen Steinkohleimporte aus Kolumbien. Wie verliefen die Veranstaltungen?

Am Montag haben wir gemeinsam mit der niederländischen Gruppe »Kappen met Kolen«, auf Deutsch »Schluss mit der Kohle«, eine Infoveranstaltung in Amsterdam organisiert. Der in Frankreich lebende Aktivist Juan Pablo Gutierrez hat über die verheerenden Folgen des Kohletagebaus für seine indigene Gemeinschaft, die Yukpa, berichtet. Weitere Aktivisten aus dem kolumbianischen Widerstand waren online zugeschaltet. Am Dienstag haben wir zwei Stunden lang einen Zug mit Steinkohle nahe Amsterdam auf den Schienen blockiert. Der Zugführer war aufgebracht, weil er den Fahrplan nicht einhalten konnte: Verspätet sich ein Zug, verzögert sich der weitere Betrieb noch mehr. Er fuhr kurz an, um zu testen, ob wir weichen würden, was wir nicht taten. Die Polizei in den Niederlanden ist vergleichsweise zurückhaltend. Sie muss in solchen Fällen Rücksprache mit dem jeweiligen Bürgermeister halten. Danach verlief alles, wie wir es in der BRD kennen: Die Versammlung wurde aufgelöst, Aktive mit auf die Wache genommen. Am Donnerstag beteiligten wir uns an der Kundgebung in Bonn »Debt for Climate« – von der Klimakrise stark betroffenen Ländern sollen Schulden erlassen werden, damit sie das ersparte Geld in deren Eindämmung und in Anpassung investieren können. Fürs Wochenende planen wir weitere Blockadeaktionen.

Es geht um weltweite Klimafolgen der Kohle, zudem um Vertreibung, Hunger, vergiftete Böden und Flüsse in betroffenen Regionen Kolumbiens. Was berichten Vertreter der indigenen Gemeinschaften?

Die Mine El Cerrejón im Norden Kolumbiens, eine der größten weltweit, nennen sie »das Monster«. In die Landschaft ist eine gigantische Wunde geschlagen, alles dort ist zerstört. Sie berichten von Problemen mit der Trinkwasserversorgung für umliegende und bereits umgesiedelte Gemeinden. Weil Flüsse umgeleitet wurden, können die Indigenen kaum noch Landwirtschaft betreiben. Schönere Häuser und Wohlstand durch Arbeitsplätze stellen sich als leere Versprechen heraus. Man hat sie schlicht ihres Landes beraubt. Vermehrt treten Atemwegserkrankungen auf, und die Kindersterblichkeit nimmt zu.

Wer Widerstand dagegen leistet, bekommt es mit Paramilitärs zu tun.

Paramilitärische Gewalt ist in Kolumbien generell ein Problem. Konzerne engagieren private Truppen, die die schmutzige Arbeit für sie erledigen. Sie werden eingesetzt, um die Vertreibung mit Drohungen und Gewalt gegen Familien durchzusetzen, wenn sich Menschen weigern, ihr Land zu verlassen. Wer sich wehrt, wird eingeschüchtert. Juan Pablo Gutierrez, eine laute Stimme des Widerstandes gegen die Vertreibung, musste nach Anschlägen und Bedrohung seiner Familie durch Paramilitärs 2018 ins politische Exil nach Europa flüchten.

Wie gestaltet sich die Kooperation mit den kolumbianischen Aktivisten?

Gutierrez, der mit seiner Tochter am Rande unserer Blockadeaktion dabei war, sagte mir: Wer so eine Aktion in Kolumbien macht, begibt sich in Lebensgefahr. In Europa sind die Konsequenzen eher überschaubar. Wir können die extremen Zustände in Kolumbien nicht verhindern, aber darauf aufmerksam machen.

Wen sehen Sie politisch in der Verantwortung?

Der global agierende Schweizer Konzern Glencore profitiert von dem schmutzigen Geschäft, wie auch deutsche Energieunternehmen wie EnBW, RWE, LEAG. Von selbst werden sie wohl nicht auf die Idee kommen, zu sagen: »Wir lassen es sein, weil es unmoralisch ist«. Die Bundesregierung muss einschreiten. Leider geht die Entwicklung aktuell aber in die entgegengesetzte Richtung. Die Ampel sieht das in unseren Augen ohnehin unzureichende Lieferkettengesetz als »Bremsklotz« für das deutsche Wirtschaftswachstum. Wir fordern ein Ende von Steinkohleimporten aus Kolumbien, Reparationen für die Geschädigten vor Ort und den sofortigen Kohleausstieg in Europa.

David Berger ist Sprecher des Netzwerks »Still Burning«

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