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Aus: Ausgabe vom 26.10.2024, Seite 6 / Ausland
Österreich

Nehammer darf in Wien sondieren

Österreich: Gespräche zur Regierungsbildung begonnen. Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos wahrscheinlich
Von Dieter Reinisch, Wien
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Nehammer darf in Wien sondieren

In Österreich haben fast einen Monat nach den Nationalratswahlen die Verhandlungen zur Regierungsbildung begonnen. Am Dienstag gab Bundespräsident Alexander van der Bellen (Grüne) einem der Wahlverlierer, dem Parteichef der zweitplazierten ÖVP, Karl Nehammer, den entsprechenden Auftrag. Damit brach er mit der Tradition, nach der zuerst der Chef der stärksten Partei damit betraut wird. Das wäre Herbert Kickl von der rechten FPÖ gewesen.

Am Freitag vormittag trafen die Verhandlungsteams der ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ zu den ersten offiziellen Sondierungsgesprächen ein. Inhaltlich wurde jedoch noch nichts besprochen. Die Verhandlungsteams teilten den anwesenden Medienvertretern mit, es werde nur um »grundsätzliche Fragen« gehen. Am Nachmittag traf Nehammer auch noch die Vertreter der beiden Kleinparteien Grüne und Neos.

ÖVP und SPÖ sind nach den Parlamentswahlen vom 29. September angeschlagen und haben im Parlament zusammen nur einen Sitz Überhang. Van der Bellen hatte Nehammer bei der Erteilung des Regierungsauftrags klargemacht, dass er eine solch knappe Zweierkoalition nicht wünsche. Eine der beiden Kleinparteien soll daher mit ins Boot kommen. Den liberalen Neos werden nun gute Chancen eingeräumt, erstmals auf Bundesebene mitzuregieren. Denn die bisherige Koalition aus Konservativen und Grünen ist zerrüttet und war zuletzt zunehmend arbeitsunfähig. Die Sozialdemokraten verweisen zudem darauf, dass die Regierungsarbeit mit den Neos in Wien problemlos funktioniere.

Am Donnerstag konstituierte sich auch der Nationalrat der kommenden Legislaturperiode. Unter den Abgeordneten ist eine große Anzahl neuer Parlamentarier, vor allem von der FPÖ und den Neos. Wie üblich wurde der Kandidat der stimmenstärksten Partei zum Nationalratspräsidenten gewählt, dem formell zweithöchsten Amt der Republik. Von den 183 Angeordneten gaben 162 in geheimer Wahl gültige Stimmen ab. 100 gingen an den FPÖ-Kandidaten Walter Rosenkranz. Er ist seit Jahrzehnten Mitglied einer schlagenden Burschenschaft und war ein enger Vertrauter von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, bis dieser über den Ibiza-Skandal stolperte.

Rosenkranz sieht sich selbst als »national-freiheitlich« und als »Parteisoldaten«. Er hat jahrelange Erfahrung im Nationalrat. In seiner Rede vor der geheimen Abstimmung wollte SPÖ-Chef Andreas Babler nicht sagen, ob er Rosenkranz wählen würde. Nehammer dagegen machte klar, dass der FPÖ-Kandidat für seine Partei »wählbar« sei. Dem folgten jedoch nicht alle Parteigenossen: Acht ÖVP-Mitglieder stimmten wohl nicht für Rosenkranz. SPÖ, Neos und Grüne dürften geschlossen gegen ihn gestimmt haben.

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