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Aus: Ausgabe vom 26.10.2024, Seite 7 / Ausland
Gazakrieg

Internierungslager für Gaza

Israelische Regierung prüft Pläne, ummauerte Areale in Küstenenklave einzurichten und US-Söldnerfirma zur Kontrolle anzuheuern
Von Jakob Reimann
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Essen nur gegen biometrische Daten: Bedingung der »humanitären Blasen« (Gaza-Stadt, 27.3.2024)

Die israelische Führung berät aktuell über Pläne, Teile des Gazastreifens in abgezäunte Lager zu verwandeln, die von einer privaten Söldnerfirma bewacht und verwaltet werden. Die vom israelischen Geschäftsmann Mordechai Kahana geführte US-Firma Global Delivery Company (GDC) ist dazu in Gesprächen mit der Netanjahu-Regierung. Laut der größten israelischen Zeitung Jediot Acharonot würden diese euphemistisch »humanitäre Blasen« genannten Internierungslager zunächst »innerhalb von 48 Stunden« durch die israelischen Streitkräfte (IDF) von palästinensischen Kämpfern »gesäubert« und mit einer »Trennmauer« eingeschlossen, so dass sie anschließend unter der Kontrolle von GDC von Veteranen von Eliteeinheiten aus den USA und Großbritannien besetzt würden. Die Verteilung von Nahrung würde fortan in diesen Lagern stattfinden, zu denen nur Zugang erhält, wer sich von den Söldnern biometrisch erfassen lässt – einschließlich Fingerabdrücken, Gesichtserkennung und Stimmproben. Finanziert würde das Projekt voraussichtlich aus US-Steuergeldern und internationalen Spenden. Zunächst auf den Norden Gazas begrenzt, solle das Konzept der privaten Internierungslager im Anschluss auf das gesamte Gebiet der Küstenenklave ausgeweitet werden.

Das israelische Sicherheitskabinett habe das Thema vergangenen Sonntag erörtert, jedoch »noch keine endgültige Entscheidung getroffen«, berichtete der Guardian unter Berufung auf israelische Beamte. Ursprünglich war geplant, die Verteilung humanitärer Hilfen den IDF zu überlassen. Da die Militärführung es jedoch ablehnte, die Nahrungsverteilung übertragen zu bekommen, sei der Plan schließlich abgeändert worden. Jetzt soll die Aufgabe »privatisiert« und dem Unternehmen GDC übertragen werden, das einzig der Profitlogik folge. »Das Ziel ist«, so Noa Landau in Haaretz, »die moralische und rechtliche Verantwortung von Israel auf diese bewaffneten Milizen zu übertragen«. Dass die GDC-Söldner nicht etwa als humanitäre Helfer, sondern als Besatzer agieren werden, machte der Gründer und GDC-Chef Kahana am Dienstag in einem Interview mit Jediot Acharonot deutlich: »Wenn etwas passiert, werden wir den Bewohnern des Gazastreifens eine Botschaft senden – ihr wollt euch nicht mit uns anlegen.«

Die aktuelle Blockade des nördlichen Gazastreifens kann als Vorbereitung des Internierungsplans gedeutet werden und folgt offenbar der Umsetzung des sogenannten Plans der Generäle. Diese vom General a. D. Giora Eiland entworfene Strategie soll Gaza, zunächst den Norden, unbewohnbar machen, indem eine Kampagne des Aushungerns gefahren wird. Die Versorgung mit Nahrung soll vollständig abgeschnitten werden. »Die Menschen werden dort (im Norden) nicht leben können«, zitierte AP Eiland Mitte Oktober. Wer danach nicht in den Süden fliehe, sei legitimes Ziel der israelischen Streitkräfte. Durch die nun seit drei Wochen andauernde Blockade Nordgazas durch das israelische Militär wurden Lieferungen von Nahrung, Trinkwasser und medizinischen Gütern unterbunden. Als weitere Strategie wurden drei der letzten zumindest noch teilweise in Betrieb befindlichen Krankenhäuser der Region mit Artillerie, Kampfjets, Drohnen, Panzern, Scharfschützen und Bodentruppen angegriffen.

Um eine materielle Notwendigkeit für die Umsetzung des Internierungsplans zu schaffen, sollen Anfang kommender Woche in der Knesset zwei Gesetze beschlossen werden, mit denen das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) de facto in Israel und den besetzten Gebieten verboten würde und ein Vakuum in Hinsicht auf die Versorgung der über zwei Millionen Menschen in Gaza entstünde. Laut der israelischen Menschenrechtsorganisation Adalah stehe parteiübergreifend eine Mehrheit von etwa 100 der 120 Abgeordneten hinter den Vorhaben, deren Umsetzung einen Bruch von Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs darstellen würde und damit völkerrechtswidrig wäre, heißt es im Guardian. Das UNRWA-Verbot soll also den Weg für die Privatisierung der Militärbesatzung Gazas und die totale Kontrolle von Nahrungsmittellieferungen durch das israelische Regime ebnen.

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