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Aus: Ausgabe vom 26.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Votum unter Aufsicht

Wahlen in Georgien
Von Reinhard Lauterbach
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Wahlwerbung für die Regierungspartei »Georgischer Traum« in Tbilissi (7.10.2024)

Das Szenario der Parlamentswahl in Georgien am Sonnabend spricht allen Vorstellungen Hohn, nach denen in Georgien 1991 die »Unabhängigkeit« ausgebrochen sei und es dem Land freistehe, über seinen politischen Weg zu entscheiden. EU und USA haben vor der Wahl in einem bisher nicht erlebten Ausmaß deutlich gemacht, wen sie als Wahlsieger sehen wollen: die disparate und gespaltene, aber jedenfalls prowestliche und antirussische Opposition.

An der bisherigen Regierungspartei »Georgischer Traum« stört, dass sie Georgien aus den antirussischen Sanktionen herausgehalten und sich geweigert hat, im Südkaukasus eine zweite Front gegen Russland aufzumachen, wie es ukrainische Politiker mehrfach gefordert hatten. Dabei wissen die Georgier aus eigener Erfahrung, wozu der Versuch, Russland herauszufordern, 2008 geführt hat. Die Verabschiedung eines »Transparenzgesetzes« über eine Registrierungspflicht für mehrheitlich aus dem Ausland finanzierte »Nichtregierungsorganisationen« ist nur ein Vorwand für Kritik aus dem Westen. Obwohl die Szene dieser sogenannten NGOs – es geht in Wahrheit ja nur darum, von welcher Regierung sie abhängig sind, wenn sie aus dem Ausland finanziert werden – zu Nachforschungen durchaus einlädt. Laut der georgischen Statistikbehörde sind im Lande rund 4.500 solcher Lobbygruppen registriert, von denen nur 40 bis 50 öffentlich in Erscheinung träten. Der Rest, muss man im Umkehrschluss folgern, fischt im Trüben, und zwar offenbar, weil die Auftraggeber das so wollen.

Wenn man schon nicht »das Volk auflösen und ein anderes wählen« kann, tut der kollektive Westen alles, um bestehende Abhängigkeiten und diffuse Hoffnungen in politischen Einfluss umzumünzen: Die EU droht damit, den visafreien Reiseverkehr zurückzunehmen und das Beitrittsverfahren zu stoppen. Die USA haben angekündigt, nach der Wahl Finanzsanktionen gegen das Geschäftsimperium des Chefs des »Georgischen Traums« zu verhängen. Derweilen ist die EU eifrig dabei, der jungen, gebildeten und perspektivlosen georgischen Nachwuchsmittelschicht Märchen zu erzählen. Die Deutsche Welle zitierte kürzlich eine Oppositionsdemonstrantin mit der Aussage, die EU stehe für »Vielfalt, Offenheit und Internationalismus« – Vorstellungen wie von einem anderen Stern.

Nach einem kann man die Uhr stellen: Wenn die Wahl nicht zugunsten der prowestlichen Kräfte ausgeht, wird sie als gefälscht und manipuliert dargestellt werden. Und die Anhänger der bisherigen Opposition werden wieder auf die Straße gehen und versuchen, das Land unregierbar zu machen. Dabei hat der »Georgische Traum« durchaus reale Machtgrundlagen: den öffentlichen Sektor, der 25 Prozent der Bevölkerung beschäftigt, und das flache Land, das vom Export seiner Produkte nach Russland oder von russischen Touristen abhängig ist. Aber solche banalen Sorgen einfacher Leute interessieren in Brüssel niemanden.

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