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Aus: Ausgabe vom 28.10.2024, Seite 2 / Inland
Polizei klagt gegen Videoaufnahmen

»Es reicht nicht, unerwünscht zu sein«

Bayern: Amtsgericht spricht Angeklagte frei, die Polizeieinsatz am Hauptbahnhof filmte. Ein Gespräch mit Nevin Duran
Interview: Gitta Düperthal
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Grundsätzlich kamerascheu: Polizei wird beim Einsatz am 1. Mai in Berlin gefilmt

In einem Verfahren vor dem Amtsgericht München ist am Donnerstag der Vorwurf verhandelt worden, einen Polizeieinsatz mit potentiell Betroffenen von rassistischer Polizeigewalt gefilmt zu haben. Rena O. war angeklagt wegen der »Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes«. Wie kam es dazu?

Meine Mandantin hatte am Münchner Hauptbahnhof beobachtet, wie ein Polizeibeamter zwei jungen Männern mit einem Schlagstock und Reizgas gegenüberstand, was für sie bedrohlich aussah. Deshalb filmte sie den Einsatz.

Rena O. wurde freigesprochen. Wie begründete die Richterin das?

Die Richterin begründete es damit, dass das Filmen an einem hochfrequentierten Ort geschah. Bilder von Überwachungskameras dort zeigten, dass Menschen vorbeigingen, die die Möglichkeit hatten, den Polizeieinsatz und das, was gesprochen wurde, wahrzunehmen. Weil an dem Ort eine »faktische Öffentlichkeit« bestand, ist die Kommunikation nicht mehr »vertraulich«. Nach der Auffassung des Gerichts heißt das: Wären während des Filmens des Einsatzes weniger Passanten vorbeigelaufen, hätte das Urteil auch anders ausfallen können. Das Gericht hat leider daran festgehalten, dass Äußerungen von Beamten im Rahmen von polizeilichen Maßnahmen »nicht öffentlich«, also vertraulich, sein können, was ich aus rechtsstaatlichen Erwägungen grundlegend falsch finde.

Die Polizei beruft sich in solchen Fällen immer wieder auf den sogenannten Abhörparagraphen 201 im Strafgesetzbuch. Welche Relevanz hat das Urteil?

Wird das Urteil rechtskräftig, wäre es immerhin ein weiterer Hinweis darauf, dass das Filmen von Polizeieinsätzen oft straffrei ist. Es kann aber sein, dass die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Berufung einlegt.

Könnten Polizeianzeigen wie die gegen Rena O., Bürgerinnen und Bürger, die Betroffenen von Polizeigewalt mit dem Filmen beistehen wollen, künftig davon abhalten, solidarisch zu handeln?

Die Beschlagnahme von Handys und solche Anklagen wirken abschreckend. Es wäre gut, wenn ein höheres Gericht dazu ein Grundsatzurteil fällen würde. Die Bildaufnahme an sich ist, solange sie nicht verbreitet wird, nicht strafbar. Das stellte das Bundesverfassungsgericht bereits 2015 fest. Es ging hierbei um die Strafbarkeit nach Paragraph 33 Kunsturhebergesetz. Bei Paragraph 201 StGB fällt indes die Tonaufnahme unter den Schutzbereich; dieser war historisch zum Schutz des höchstpersönlichen und privaten Lebensbereiches erlassen worden. Mit einer dienstlichen Äußerung durch Polizeibeamte hat das wenig zu tun. Genauso argumentieren übrigens auch einige Polizeihochschullehrer. Und schließlich geht es in dem Zusammenhang auch um Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit.

Mitunter bekommen Journalistinnen und Journalisten, selbst nach Vorzeigen des Presseausweises, von Beamten zu hören, dass das Dokumentieren von – aus dem Ruder laufenden – Einsätzen die »polizeiliche Maßnahme« störe. Wie ist die Rechtslage?

Es kommt auf den Einzelfall an. Wer nur aus der Entfernung beobachtet, stört im Regelfall nicht. Wenn jemand tatsächlich stört, dann müssen Polizisten dieser Person erklären, was ihr konkret vorgeworfen wird und worin die Störung besteht – unter Nennung der Rechtsgrundlage. Es reicht nicht, unerwünscht zu sein.

Die Initiative »Go Film The Police!« fordert die Entkriminalisierung des Erstellens von Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen durch Zeuginnen und Opfer. Außerdem solle der Polizei die Löschung solcher Videos oder das Beschlagnahmen von Handys in solchen Fällen verboten werden. Wie müsste das aus Ihrer Sicht geregelt werden?

Es muss höchstrichterlich geklärt werden, dass das Filmen durch Bürgerinnen und Bürger zu Kontrollzwecken und als objektives Beweismittel nicht strafbar ist. Ist die gefilmte Maßnahme rechtmäßig, schützt das Video ja nicht nur die betroffenen Personen, sondern auch die Polizei. Deren Maßnahme wird so objektiv überprüfbar. Da die Polizei ohnehin rechtmäßig und verhältnismäßig handeln muss, stellt sich die Frage: Weshalb soll deren Handeln dann nicht gefilmt werden? Ob man das Video verbreiten darf, ist eine andere Frage.

Nevin Duran ist Rechtsanwältin in Berlin mit dem Schwerpunkt Strafrecht

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