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Aus: Ausgabe vom 28.10.2024, Seite 4 / Inland
Regierungsbildung in Thüringen

Saure-Brombeeren-Zeit

Thüringen: CDU und SPD werfen BSW-Chefin vor, Regierungsbildung zu sabotieren. Wagenknecht soll Kompromiss zu Friedenspräambel abgelehnt haben
Von Kristian Stemmler
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Mit wem will er sich die Regierungsbank teilen? CDU-Landeschef Mario Voigt

Das Tauziehen in Thüringen wollen CDU und SPD offenbar dadurch für sich entscheiden, eine mutmaßliche Einmischung Sahra Wagenknechts zum Anlass zu nehmen, die Verhandlungen über eine Koalition mit dem BSW platzen zu lassen. Das Wochenende sollte allen Beteiligten an den Verhandlungen zur Bedenkzeit dienen, die an diesem Montag oder erst am Dienstag enden sollen, wie es laut dpa am Sonntag aus Verhandlungskreisen hieß.

Zunächst hatten CDU und SPD nicht mehr mit der Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gerechnet, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Freitag berichtete. Doch tags darauf gaben sich die Thüringer Christdemokraten »nicht ganz so skeptisch«, wie der MDR am Sonnabend berichtete. Beide Parteien blieben dabei, Sahra Wagenknecht vorzuwerfen, einen »mühsam errungenen Kompromiss« mit der BSW-Landesspitze für eine Friedenspräambel zum Koalitionsvertrag blockiert zu haben.

BSW-Landeschefin Katja Wolf widersprach gegenüber dem MDR Meldungen von einem drohenden Aus der Gespräche. Sie gab sich überzeugt, dass für Thüringen Kompromisse möglich seien. Der Kovorsitzende Steffen Schütz dementierte gegenüber den Thüringer Funke-Zeitungen Spekulationen über mögliche Differenzen zwischen dem Landesverband und Wagenknecht bei der Frage für eine Friedenspräambel: »Da gibt es keinerlei Dissens zwischen Wolf, Schütz und Wagenknecht«, erklärte er.

Thüringens SPD-Chef Georg Maier habe dagegen »kaum noch Hoffnung, dass wir noch zusammenkommen«. Man habe zwischen CDU, BSW und SPD eine Einigung erzielt, aber es gebe »eine Person in Berlin, die das kassiert hat«, sagte der SPD-Politiker der dpa. Er warf Wagenknecht vor, sich mit immer neuen Forderungen in die demnach im Grunde konstruktiv verlaufenden Gespräche in Thüringen einzumischen.

Das RND hatte sich im Bericht zum drohenden Aus der Gespräche auf Informationen »aus Verhandlungskreisen« berufen. Demnach habe am Freitag morgen ein Kompromiss zur Friedenspräambel vorgelegen, der sowohl die Standpunkte von CDU und SPD als auch des BSW aufgegriffen habe. Der Text sei vom Thüringer CDU-Präsidium und vom geschäftsführenden SPD-Landesvorstand gebilligt worden. Wagenknecht habe den Vorschlag aber blockiert und ihrerseits einen Passus vorgelegt, der für CDU und SPD nicht akzeptabel sei, heißt es laut den vom RND namentlich nicht genannten Informanten.

Unklar war bis jW-Redaktionsschluss am Sonntag, ob Wagenknecht über ihre bisherige Forderung hinaus Zugeständnisse von CDU und SPD gefordert hatte oder lediglich darauf bestanden hatte, dass im Kompromiss nicht von den Forderungen abgerückt wird, mehr diplomatische Initiativen zur Beendigung des Ukraine-Krieges anzustoßen sowie sich gegen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland auszusprechen. Klar waren hingegen die fortgesetzten Unterstellungen gegen Wagenknecht. So habe es laut RND aus Verhandlungskreisen geheißen, dass es der BSW-Bundesvorsitzenden nicht wichtig sei, »dass es zu einer Landesregierung kommt«. Ihr gehe es »um ihre parteipolitischen Ziele«. Es müssten »jetzt Alternativen zu der angestrebten Koalition« in Betracht gezogen werden, wurde ein »Beteiligter« zitiert.

Aus der CDU wurden bereits Alternativen aufgezeigt: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) schlug gegenüber dem Spiegel eine CDU-geführte Minderheitsregierung vor. Er verwies auf die bisherige »rot-rot-grüne« Koalition von Bodo Ramelow (Die Linke), die noch geschäftsführend im Amt ist. Sie habe seit 2020 mit der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion immer wieder Kompromisse gesucht. Der CDU-Politiker habe Ramelow als jemanden erlebt, »mit dem man vertrauensvoll zusammenarbeiten kann«. Mario Czaja, den der Scharfmacher Carsten Linnemann als Generalsekretär der CDU abgelöst hatte, forderte Gespräche mit der Linkspartei. Es räche sich jetzt, »dass sich meine Partei nicht kritisch mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linkspartei auseinandergesetzt hat«, sagte Czaja dem RND.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (29. Oktober 2024 um 00:01 Uhr)
    »dass es der BSW-Bundesvorsitzenden nicht wichtig sei, «dass es zu einer Landesregierung kommt». Ihr gehe es «um ihre parteipolitischen Ziele».« – Ja aber hallo! So soll es auch sein. Um die »[…]politischen Ziele« muss es gehen. Danke, Sahra!
  • Leserbrief von Christian Helms aus Dresden (28. Oktober 2024 um 17:09 Uhr)
    Das Dilemma des BSW: Themen wie Ukraine, Raketenstationierung und Migration verdankt das BSW seine Erfolge bei den Europawahlen, den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Die Aufgabe ihrer Positionen, zumindest bei den Themen Ukraine und Raketenstationierung, würde ihr in den Ländern die Regierungsbeteiligung ermöglichen. Sie liegt im Interesse der BSW-Landtagsabgeordneten. Allerdings wäre die Aufgabe dieser Positionen für viele Wähler ein Vertrauensbruch. Entsprechend würde das BSW bei den Bundestagswahlen im nächsten Jahr viele Stimmen wieder verlieren. Und das liegt nicht im Interesse seiner großen Vorsitzenden. Sind doch die Erfolgsthemen des BSW ausnahmslos Bundesthemen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (28. Oktober 2024 um 23:48 Uhr)
      Das ist das immer wieder kolportierte Missverständnis: Krieg kennt keine Einteilung in Bund und Länder, darum ist er auch nie nur ein Bundesthema. Selbst wenn, sind die Länder zur Mitwirkung bei allen Bundesthemen nicht nur aufgerufen, sondern es ist gängige Praxis. Das wissen jene Prominenten, die anderes behaupten i. d. R. auch ganz genau. Bundestag und Bundesrat haben weitgehend dieselben Kompetenzen. Es ist auch unklar, ob es im mittel- oder langfristigen Interesse der BSW-Landtagsabgeordneten ist, unbedingt in eine Regierung einzutreten. Die wurden auch wegen sog. Bundesthemen gewählt. Ein Wortbruch des BSW beim Thema Frieden in einem Land würde zukünftige Stimmen sowohl in dem Land selbst als auch in jedem anderen Lande und der Bundesebene gefährden.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (28. Oktober 2024 um 16:29 Uhr)
    Die Jammerei der CDU/SPD ist, wie immer, scheinheilig. Hat man doch gerade davon gelesen, dass CDU-Merz eine Forderung formuliert hat, wonach Koalitionsverhandlungen an eine Übereinstimmung in Fragen der Waffenlieferung an das Faschistenregime des Selenskyj gebunden sein sollten. Das ist das Gegenteil von dem, was das BSW fordert. Wenn also von Einmischung die Rede ist, dann sollte man den Kriegstreiber Merz keinesfalls außen vor lassen.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (28. Oktober 2024 um 10:07 Uhr)
    Immer noch nicht reif für die parlamentarische Demokratie: Die Situation in Thüringen illustriert deutlich, wie sehr parteipolitische Interessen und persönliche Rivalitäten die Funktionsweise der parlamentarischen Demokratie belasten. Statt einer konstruktiven und auf das Gemeinwohl ausgerichteten Regierungsbildung stehen parteipolitische Ziele und Einflusskämpfe im Vordergrund. Die Vorwürfe gegenüber Sahra Wagenknecht, sie behindere die Regierungsbildung für persönliche politische Ambitionen, unterstreichen, wie stark Einzelinteressen das Vertrauen in die demokratische Prozesskultur erschüttern können. Ein Kompromiss zur Friedenspräambel wurde zwar zwischen CDU, SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erarbeitet, jedoch blockiert. Dies zeigt, wie sehr demokratische Prozesse an Verhandlungstischen immer wieder durch Einzelpersonen oder parteiinterne Entscheidungen beeinflusst und behindert werden. Alternativen, wie eine CDU-geführte Minderheitsregierung oder die Öffnung zu Gesprächen mit der Linkspartei, werden zwar vorgeschlagen, aber kaum ernsthaft diskutiert. Das zeigt eine Stagnation, die sich in weiten Teilen der Demokratie widerspiegelt: Statt Flexibilität und Kompromissbereitschaft bestimmen Blockaden und die Angst vor einer Abkehr von alten Parteipositionen die politische Landschaft.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (28. Oktober 2024 um 23:55 Uhr)
      Es ist schlicht irreführend, wenn die Wortführer von Einzelinteressen bei Sahra reden. Sie vertritt mit dieser Haltung nicht nur sich selbst, sondern den Konsens ihrer Partei und die Mehrheit der Bevölkerung. Das ist als Parteichefin ihre Pflicht und für eine funktionierende Demokratie unabdingbar. Das ist alles andere als Einzelmeinung, Einzelinteresse, Einzelperson etc.
  • Leserbrief von Karl-Heinz Schmidt aus Helmstedt (28. Oktober 2024 um 06:35 Uhr)
    Was bildet sich die »Sechs-Prozent-Partei« SPD in Thüringen ein? Da wird fleißig gegen die BSW-Bundeschefin Sahra Wagenknecht polemisiert. Und warum? Weil sie auf einer wasserdichten Friedenspräambel besteht. So wie es das BSW vor der Wahl erklärt hat. Von der SPD ist man ja gewohnt, dass sie nach der Wahl das Gegenteil von dem erklärt, was sie vor der Wahl verkündet hat. Ich kann dem Thüringer BSW nur empfehlen standhaft zu bleiben. Die Forderungen nach mehr diplomatischen Verhandlungen zum Ende des Ukraine-Krieges und ein klares und unmissverständliches Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden müssen in der möglichen Koalitionsvereinbarung festgeschrieben werden. Für das BSW sollte auch nach der Wahl gelten, was es vor der Wahl gesagt hat. Und bei Sahra Wagenknecht kann man sich darauf verlassen. Und das ist gut so.
  • Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (27. Oktober 2024 um 21:45 Uhr)
    So kann es gehen, wenn man Frieden und Verhandlungen fordert. Es bewahrheitet sich wieder, Nationalismus und »Links sein« passen nicht zusammen. Populismus gegen Flüchtlinge hat nicht, wie gehofft, die AfD-Wähler halbiert, sondern rechtsnationale Aussagen weiter »salonfähig« gemacht, und man wählt dann doch lieber das rechtsextreme Original. Ich will den »Wagenknechten« nicht den Friedenswillen absprechen, aber wie nah sie den Thesen der AfD im Ukraine-Krieg sind, ist für den Wähler, dem oft die nötige politische Bildung fehlt, kaum zu erkennen. Die Partei Die Linke musste in der Landespolitik viele Kröten schlucken, aber sie haben sich nie vor der Übernahme von Verantwortung in der Landespolitik gedrückt. Außenpolitik wird in Deutschland im Bundestag gemacht, das weiß auch Frau Wagenknecht. Am Ende bleibt dann leider nur eins, das BSW hat die Linken weiter gespalten und drücken sich jetzt vor den Konsequenzen ihres eigenen Handels. Das alles erinnert mich an die Zeit vor über 100 Jahren, als sich SPD, USPD und KPD (Spartakusbund) wechselseitig bekämpften und damit den Rechten das Feld überließen. Vielleicht sollte Frau Wagenknecht einmal die »verbrannte Erde«, die ihr Ehemann in zwei Parteien hinterlassen hat, anschauen, um zu verstehen, dass Selbstüberschätzung, Rechthaberei und ständige Talkshows allein nicht ausreichen, um Politik zu machen. Es ist traurig zu sehen, wie ein einzelnes Ehepaar, durch Egomanie, die linken Kräfte in Deutschland in die Bedeutungslosigkeit treiben. Das BSW wird sich selbst entzaubern, der Schaden, den es der linken Sache gebracht hat, wird leider länger bleiben. Wie oft wollen wir den Sozialismus noch durch den Dreck ziehen lassen, bis wir uns endlich darum bemühen, ihn wieder »sauber zu waschen«. Kapitalismus und Demokratie sind keine Synonyme, wie man dem Volk einreden will. Egoismus und Gier sind die Triebkräfte der kapitalistischen Wirtschaft, wohin das führt, sehen wir doch gerade in Europa und dem Rest der Welt.

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