Wut über Rassismus
Von Fabian LinderBrennende Fahrzeuge und Auseinandersetzungen mit der Polizei, das waren in den vergangenen Tagen die Bilder aus den Vorstädten im Großraum der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Entladen hat sich die Wut der Bewohner zum Teil migrantisch geprägter Bezirke nach der Tötung eines Bewohners der Vorstadt Amadora im Nordwesten der Metropole. Bei einer Verfolgungsjagd durch die Polizei im Stadtviertel Cova da Moura war dort am Montag vergangener Woche der 43jährige Odair Moniz von Kugeln tödlich verletzt worden. Der seit zwei Jahrzehnten in Portugal lebende Kapverdier konnte im Krankenhaus nicht mehr gerettet werden.
Während die Polizei in ersten Stellungnahmen davon sprach, Moniz habe Widerstand geleistet und die Beamten mit einem Messer bedroht, äußerten Hilfsorganisationen wie SOS Racismo und Vida Justa Zweifel an dieser Darstellung. Ein vorläufiger Bericht der ermittelnden Behörden hielt nach Auswertung von Videomaterial fest, dass Moniz vor dem Schuss seine leeren Hände erhoben hatte, was der Behauptung widerspricht, es habe sich um Notwehr gehandelt. Auch das Vorgehen der Polizei gegenüber Anwohnern und den Angehörigen des Opfers löste Empörung aus. Auf einem Video ist zu sehen, wie bewaffnete Polizisten Tage nach der Tötung die Wohnung von Odair Moniz und seiner Familie stürmten. Einen Hausdurchsuchungsbefehl soll es nicht gegeben haben.
Während auch der Botschafter Cabo Verdes in Portugal Beschwerde einlegte, polarisiert der Fall Moniz die portugiesische Politik. Dabei stellten sich die rechtskonservativen Parteien und die faschistische Chega-Partei hinter die Behörden und nutzen den Fall Moniz, um ihre eigene Agenda zu stärken. Von rechter Seite werden die Krawalle »migrantischen Banden« zugeschrieben. Die Kommunisten der PCP und der Linksblock hingegen schlossen sich der Forderung nach Aufklärung an, verurteilten jedoch die Ausschreitungen.
Um des getöteten Moniz zu gedenken und gegen die Polizeigewalt und -willkür in den Vororten zu protestieren, rief Vida Justa zusammen mit mehr als 80 weiteren Organisationen eines weitläufigen politischen Spektrums für den Sonnabend zu einer großen Demonstration im Zentrum Lissabons auf. Angesichts der Entscheidung der Behörden, eine Gegendemonstration des Rechtsauslegers Chega ebenfalls vor dem Parlament enden zu lassen, änderten die Organisatoren ihre Demonstrationsroute. Vida Justa nannte die »nicht nachvollziehbare Entscheidung der Behörden illegal und unverantwortlich«. Man sei sicher, dass »Chega, die der Meinung sind, Portugal sei besser, wenn die Polizei noch mehr Personen tötet«, an einer Eskalation interessiert sei.
Dass die Demonstration am Sonnabend nicht von Gewalt überschattet wurde, war keineswegs gewiss. So hatte die Polizei bereits am Freitag angekündigt, man werde sich auf alles vorbereiten, und sperrte eine Reihe zentraler Verkehrsverbindungen und Plätze im Zentrum der Hauptstadt. Vida Justa verwies hingegen auf den eigenen Anspruch einer friedlichen und verantwortungsvollen Kundgebung. Die Demonstration zog unter Rufen nach Gerechtigkeit und einem Ende des strukturellen Rassismus mit Tausenden Teilnehmern über die gut gefüllte Avenida da Liberdade durch Lissabons Zentrum.
Dass Rassismus und Diskriminierung in Portugal für eine Vielzahl von Bevölkerungsgruppen, darunter auch jene mit Wurzeln in den ehemaligen Kolonien, an der Tagesordnung sind, hatte eine Erhebung zu den Lebensbedingungen der in Portugal ansässigen Bevölkerung des nationalen Statistikinstituts von Dezember 2023 festgehalten. 16 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hatten angegeben, bereits Diskriminierung erfahren zu haben, wobei der Anteil bei marginalisierten Bevölkerungsgruppen noch deutlich höher liegt. Darüber hinaus stimmten zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung zu, dass Diskriminierung ein anhaltendes Problem in Portugal sei. Laut der Erhebung ist sie ein Problem auf dem Arbeitsmarkt, in der Gesundheitsversorgung, bei sozialen Dienstleistungen, auf dem Wohnungsmarkt und nicht zuletzt bei Kontakten mit der Polizei.
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