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Aus: Ausgabe vom 28.10.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Chipindustrie

ASML im geopolitischen Sturm

Niederländischer Konzern weiter unter Druck aus den USA. Ein Fauxpas mit dem Geschäftsbericht erzeugt einen Börsenwertverlust in Milliardenhöhe
Von Gerrit Hoekman
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»Do not stack: ASML«

Dem niederländischen Chipmaschinenhersteller ASML passierte vergangene Woche, was einem börsennotierten Konzern niemals passieren darf. Er veröffentlichte den Geschäftsbericht für das letzte Quartal unbeabsichtigt bereits am Dienstag nachmittag und nicht am Mittwoch morgen, wie angekündigt. Der Bericht war nur eine halbe Stunde online, aber weil die Börse noch geöffnet hatte, knallte der Aktienkurs in kurzer Zeit von 800 Euro auf 640 nach unten. Am Ende verlor der Multi zwischen 50 und 60 Milliarden Euro an Börsenwert.

Der Absturz macht deutlich, warum die Quartalszahlen besser ein paar Stunden vor Börsenbeginn herausgegeben werden sollten. Vor allem, wenn sie nicht so dolle sind wie allgemein erwartet. Dann haben die Anleger noch Zeit, das Ergebnis sacken zu lassen und in Ruhe zu überlegen, was zu tun ist. Das Gegenteil geschah bei ASML. Die Aktionäre gerieten in Eile und verkauften panisch, was das Zeug hält.

Die Auftragsbücher des niederländischen Vorzeigebetriebs aus Veldhoven sind längst nicht mehr so prall gefüllt wie früher. Innerhalb eines Quartals sank der Wert der Aufträge von 5,6 Milliarden Euro auf 2,6 Milliarden. Der Markt erhole sich nach der Coronapandemie langsamer als erwartet, erklärte ASML-Chef Christophe Fouquet. »Wir gehen davon aus, dass dies auch 2025 so bleiben wird«, zitierte ihn der private Radiosender BNR am Dienstag.

Schuld trägt auch ein Embargo der USA, das den Niederländern verbietet, ihre mit Abstand weltweit modernsten Chipmaschinen an chinesische Unternehmen zu verkaufen. Washington will Beijing unbedingt von dieser Technologie fernhalten. »Wenn man sich die geopolitische Landschaft anschaut, ist es meiner Meinung nach klar, dass die Vereinigten Staaten weiterhin Druck auf ihre Verbündeten ausüben werden, um mehr Beschränkungen durchzusetzen«, sagte Christophe Fouquet laut der niederländischen Nachrichtenagentur ANP auf einer Technologiekonferenz in London am Dienstag voraus.

Seit 2018 machen die USA ordentlich Druck bei der niederländischen Regierung, damit sie ASML den Export nach China verbietet. Die Vereinigten Staaten unterstellen China vorgeblich, mit dem Kauf militärische Absichten zu verfolgen. 2019 verhängte die niederländische Regierung das erste Exportverbot für bestimmte Maschinen. Die Auflagen wurden im März 2023 verschärft. »Damit drückt das Verbot auf die langfristigen Ergebnisse von ASML«, ahnte das niederländische Internetmagazin Techzine bereits vor der Bekanntgabe der Geschäftszahlen. ASML sei zum »Dreh- und Angelpunkt eines globalen politischen Spiels geworden«.

Asien ist der wichtigste Markt und China bis jetzt der größte Abnehmer, selbst wenn es mit den älteren Modellen vorliebnehmen musste. Im dritten Quartal machte ASML dort fast die Hälfte des gesamten Umsatzes. In Zukunft werde der Anteil aber wohl auf 20 Prozent schrumpfen, sagte Konzernchef Fouquet laut ANP voraus.

Die hohen Erwartungen an der Börse hätten vor allem »auf einem ungezügelten Optimismus in Bezug auf KI« beruht, kommentierte die Tageszeitung Het Financieele Dagblad. Dabei hätten die Experten den viel größeren Rest des Marktes vergessen: die Halbleiter in Autos, Kühlschränken und Fernsehern. »Diese Märkte sind nicht nur weit weniger sexy als KI, sie weisen auch ein weitaus geringeres Wachstum auf.« KI mache nur zehn bis 15 Prozent des Marktes aus. Der Börsenabsturz von ASML betrifft indirekt auch einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung, weil eine Reihe von Rentenfonds ihr Geld teilweise in Aktien des Unternehmens angelegt hat.

Fouquet geht das Katzbuckeln der Niederlande gegenüber den USA inzwischen etwas zu weit. Die Frage sei doch: »Was ist gut für die Niederlande? Was ist gut für Europa?« Plänen der neuen rechten Regierung in Den Haag, die Arbeitsmigration deutlich zu verringern, erteilte er eine Absage. »Wir haben unser Unternehmen mit mehr als 100 Nationalitäten aufgebaut. Der Zuzug von Talenten aus der ganzen Welt war eine Voraussetzung für unseren Erfolg, und das muss so bleiben.« Die Niederlande seien sonst nicht länger wettbewerbsfähig.

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