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Aus: Ausgabe vom 04.11.2024, Seite 6 / Ausland
Brasilien

Verurteilt – doch noch nicht aufgeklärt

Mord an brasilianischer Stadträtin Franco: Täter erhalten lange Haftstrafen, Drahtzieher weiter unklar
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
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Marinette da Silva (M.), die Mutter der Getöteten, zeigt sich nach der Urteilsverkündung erleichtert (Rio de Janeiro, 31.10.2024)

Vor exakt sechs Jahren und sieben Monaten machte der Mord an der Stadträtin Marielle Franco in Rio de Janeiro weltweit Schlagzeilen. Die 38jährige Politikerin der linken Partei PSOL starb am 14. März 2018 in ihrem Auto zusammen mit ihrem Fahrer Anderson Gomes im Kugelhagel einer aus einem zweiten Fahrzeug abgefeuerten Maschinenpistole. Von Anfang an gingen die Ermittlungsbehörden von einem Auftragsmord aus. Nun hat das Vierte Schwurgericht von Rio vergangenen Donnerstag die beiden geständigen Täter verurteilt.

Der 54 Jahre alte Ronnie Lessa, der die tödlichen Schüsse abfeuerte, erhielt eine Haftstrafe von 78 Jahren und neun Monaten. Sein Fahrer, der 52jährige Élcio Vieira de Queiroz, erhielt 59 Jahre und acht Monate Gefängnis. Außerdem müssen die beiden ehemaligen Beamten der Landespolizei den Angehörigen der Opfer eine Entschädigung in Höhe von insgesamt rund 500.000 Euro zahlen und die Gerichtskosten tragen. Aufgrund der Kronzeugenregelung können die beiden bereits seit 2019 einsitzenden Täter allerdings mit einer deutlichen Strafmilderung rechnen und werden wahrscheinlich nur einen Bruchteil der Haftstrafen absitzen, sollten sich ihre Aussagen bewahrheiten.

So beschuldigt Lessa den parteilosen Bundesabgeordneten Chiquinho Brazão von Rio de Janeiro, dessen Bruder Domingos Brazão, ehemaliger Landesabgeordneter und heutiges Mitglied des Rechnungshofes von Rio de Janeiro, sowie den ehemaligen Chef der Zivilpolizei des Bundes­staats, Rivaldo Barbosa, die eigentlichen Drahtzieher des Auftragsmordes zu sein. Barbosa wird zudem die Verschleierung von Beweisen und die Behinderung der Ermittlungen angelastet. Alle drei Beschuldigten indes leugnen jegliche Tatbeteiligung und beteuern ihre Unschuld. In Wahrheit, so das Trio, stecke der ehemalige Stadtrat und Feuerwehrmann Cristiano Girão hinter dem Mord an Marielle Franco. Die Anwälte der Brazão-Brüder und Barbosas versuchen zudem, das Kronzeugenabkommen mit den verurteilten Mödern, »Delação Premiada« genannt, für nichtig zu erklären.

Dennoch soll den Politikern zusammen mit zwei weiteren Angeklagten im kommenden Jahr vor dem Bundesgerichtshof (STF) der Prozess gemacht werden. Den Ermittlungen der Bundespolizei zufolge sei das Tatmotiv der Einsatz der Stadträtin gegen illegalen Wohnungsbau auf öffentlichen Flächen und Bodenspekulation durch die Miliz im Westen der Millionenmetropole am Zuckerhut gewesen. Genau dort liegt der Wahlkreis der Brüder Brazão. Laut Bundespolizei hatte Franco im Stadtrat gegen ein Gesetzesvorhaben gestimmt, das Immobilienspekulationen und den Raub öffentlichen Bodens in Rio begünstigt hätte.

Doch wer sind Ronnie Lessa und Élcio Vieira de Queiroz? Der ehemalige Polizist Lessa hatte 2009 bei einer Autobombenexplosion ein Bein verloren. Er war seitdem aufgrund von Invalidität pensioniert, hielt jedoch weiterhin Kontakt zu seinen Kollegen von der Landes- und Kriminalpolizei. Erst 2021 schloss ihn die Polizei aus ihren Reihen aus, als er wegen Verschwindenlassens von Tatwaffen zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Sein langjähriger Kollege und Freund Queiroz wiederum war bereits 2015 aufgrund von krimineller, mit Glückspiel zusammenhängender Machenschaften von der Landespolizei ausgeschlossen worden.

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