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Aus: Ausgabe vom 06.11.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Artenschutz

»Hauptverantwortung trägt der globale Norden«

COP 16 in Kolumbien: Wirkliche Ursachen für Artenschwund wurden nicht erörtert. Ein Gespräch mit Fernando Barreto
Von Elias Korte, Cali
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Dürre am Amazonasufer in Santa Sofía (20.10.2024)

Wie stehen soziale Bewegungen in Kolumbien zu einem Großevent wie der COP 16?

Cali wurde 2021 zur Hauptstadt des Widerstands gegen die Politik der damaligen Rechtsregierung von Iván Duque. Diese Bewegung brachte die erste fortschrittliche Regierung in über 200 Jahren republikanischer Geschichte hervor. Nun hat sie die bis dato wichtigste internationale Konferenz ins Land und nach Cali geholt. Gastgeberin war also eine Regierung, von der sich große Teile der Basisbewegungen vertreten fühlen, die grundsätzlich aber sehr kritisch gegenüber dieser Art von Konferenzen sind, weil sie bisher keinen konkreten Effekt hatten.

Was wird an der Konferenz kritisiert?

Traditionell sind diese Konferenzen Räume mit einer sehr geringen Beteiligung von sozialen, Jugend- und Umweltbewegungen. Auch Präsident Gustavo Petro hat sie als Veranstaltungen charakterisiert, bei denen Bürokraten zusammentreffen, ohne über den Kern des Problems zu sprechen: die gegenwärtige Produktionsweise, den Kapitalismus. Die Hauptverantwortung für Artenschwund und Klimakrise tragen der globale Norden und das transnationale Kapital. Solange diese Konferenzen also nicht die wirklichen Ursachen der ökologischen Krise, den Prozess der Kapitalakkumulation, öffentlich in Frage stellen, müssen wir das als ein Reinwaschen der global Verantwortlichen betrachten.

Inwiefern fühlten sich Bevölkerung und betroffene Gemeinden einbezogen in die Konferenz?

Die COP 16 hatte einen großen Bereich, in dem eine breite Beteiligung ermöglicht wurde. Das ging bis hin zu kulturellen Aktivitäten und der Frage, wie man die Bedeutung des für Cali charakteristischen Salsa in die Sensibilisierung für den Klimawandel einbeziehen kann. Andererseits gab es den Bereich, wo Regierungschefs, Umweltminister und Wissenschaftler zusammenkamen. Dort wurden die schwierigen Themen verhandelt, beispielsweise die Mobilisierung von Finanzmitteln für den Schutz der biologischen Vielfalt. Dennoch gab es ein ernsthaftes Bemühen, die Bevölkerung zumindest teilweise einzubeziehen und sie anzuregen, über existentielle Fragen nachzudenken.

Welche sozialen und ökologischen Probleme prägen die Pazifikregion Kolumbiens?

Es gibt eine große biologische, aber auch eine große soziale und ethnische Vielfalt. Cali ist seit Jahrzehnten Aufnahmeort für Menschen afrokolumbianischer und indigener Völker, die vom Staat an den Rand gedrängt wurden und vor den Auswirkungen von Gewalt fliehen mussten. Hinzu kommen die schwerwiegenden ökologischen Auswirkungen von Aktivitäten wie dem illegalen Bergbau oder die seit dem Kolonialismus dominante Zuckerrohrmonokultur. Sie laugt die Böden aus und geht traditionell mit der Enteignung von Kleinbauern und den Ländereien indigener Gemeinschaften einher. Genau diese Bevölkerungsgruppen werden von der Regierung als Schlüsselakteure für den Erhalt der Umwelt anerkannt und sollen von der Landreform profitieren.

Kolumbien ist das Land mit der größten Artenvielfalt pro Quadratkilometer. Von den schätzungsweise 56.300 Arten sind 1.200 allgemein und 1.500 Arten von illegaler Kommerzialisierung bedroht. Außerdem hat das Land in den letzten 20 Jahren sechs Millionen Hektar Wald durch Abholzung verloren. In den zwei Jahren Petro-Regierung konnte die Abholzung um ungefähr ein Drittel reduziert werden, aber die Lage bleibt ernst.

Welche Forderungen haben Sie?

Die Klimakrise kann nicht nur auf den exzessiven und irrationalen Konsum eines Teils der Menschheit reduziert werden. Vielmehr ist der Kampf gegen den Klimawandel ein Klassenkampf. Länder, die die meisten Treibhausgase ausstoßen, sollten also zur Verantwortung gezogen werden. Wir fordern die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und den Tausch von Schulden gegen Klimamaßnahmen. Damit ermöglichen die imperialen Länder jenen im globalen Süden, in ihren Gebieten die katastrophalen Auswirkungen der Erderwärmung durch den Schutz der Ozeane, des Amazonaswaldes und der biologischen Vielfalt abzumildern.

Fernando Barreto ist politischer Aktivist in Cali und Mitglied der studentischen Vereinigung Asociación Colombiana de Estudiantes Universitarios

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