Der Karren steckt im Dreck
Von David MaiwaldVom »Industriegipfel« im Kanzleramt wurden keine Ergebnisse erwartet. Untersuchungen zur Lage der deutschen Wirtschaft fielen am Freitag erwartbar schlecht aus. So bescheinigte die EU-Kommission der BRD einmal mehr, sie hinke der Wirtschaftsleistung (BIP) der EU-Staaten hinterher. Denn während die Kommission der EU insgesamt ein Wachstum von 0,9 Prozent für 2024 bescheinigt, rechnet sie hierzulande mit einem Rückgang von 0,1 Prozent. Im Mai hatte sich das Gremium noch ein winziges Wachstum von 0,1 Prozent für die deutsche Wirtschaft erdacht.
Es brauche »kurzfristig neue Impulse, damit es wieder bergauf geht«, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erwartbar ergebnisoffen nach seinem »Industriegipfel«. Er wolle die Stromnetzentgelte deckeln und Strafzahlungen der EU für CO2-Flottengrenzwerte erwirken, ließ sich dann am Freitag noch aus einer Mitteilung der Bundesregierung entnehmen. Ob diese noch eine Mehrheit für politische Maßnahmen erzielen kann, ist aktuell mehr als fraglich – die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner erhob die Vorhaben des Kanzlers nach dem Gipfel als Forderungen; es gehe um die Zukunft der Beschäftigten »und die Zukunft der deutschen Wirtschaft«.
Grund für die Flaute sind laut EU-Kommission schwache Absätze der Industrie. »Trotz« eines angeblichen Anstiegs der Realeinkommen könne der private Konsum das Wachstum in Deutschland nicht stützen. Übersetzt: Die Kommission nimmt an, die Bevölkerung habe mehr Geld zur Verfügung, und wundert sich, dass es nicht ausgegeben wird. Von einer »hohen Sparquote« ist die Rede. Dem Statistischen Bundesamt zufolge gab es im dritten Quartal des laufenden Jahres mit 46,1 Millionen Personen nur 23.000 Erwerbstätige mehr als im Vorquartal – ein saisonbereinigter Rückgang um 0,1 Prozent, also 45.000 Erwerbstätige.
Auch das Münchner Ifo-Institut beklagte am Freitag eine »anhaltende Kaufzurückhaltung«, die sich belastend auf die Umsätze der hiesigen Unternehmen auswirke. Wegen anhaltend »hoher Energiekosten und wachsender internationaler Konkurrenz« berichteten den Wirtschaftsforschern immer mehr Betriebe, um ihre wirtschaftliche Existenz zu fürchten: Ihr Anteil stieg im Oktober demnach auf 7,3 Prozent. Der »kontinuierliche Anstieg« der Anzahl zahlungsunfähiger Betriebe »dürfte sich fortsetzen«.
Mehr Erwerbslose, dadurch weniger Kaufkraft und weniger Produktabsatz der Betriebe, die weniger Umsatz machen und von denen dann mehr in die Insolvenz rutschen: eine ausgemachte Wirtschaftskrise. Alleine in der Industrie und im Baugewerbe ging die Zahl der Beschäftigten dem Statistischen Bundesamt zufolge innerhalb eines Jahres mit mehr als 100.000 Personen deutlich zurück. Und es sind weitaus mehr angekündigt, in nahezu allen Bereichen der Industrie.
Nicht zuletzt die Autobranche, Zugpferd der BRD-Wirtschaft, gerät aktuell im Vergleich zur chinesischen Konkurrenz ins Hintertreffen. Allein hier könnten 130.000 Erwerbsstellen wegrationalisiert werden, schätzte kürzlich die Deutsche Bank. Wie auch beim Thyssen-Krupp Standort in Duisburg hängen an der Autoindustrie ganze Regionen. Allein die drei Zulieferer ZF Friedrichshafen, Bosch und Schaeffler werden in den kommenden Jahren bis zu 17.000 Stellen kürzen. Da helfen auch keine Kaufprämien für E-Autos mehr: Der Karren hat sich festgefahren.
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