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Aus: Ausgabe vom 16.11.2024, Seite 6 / Ausland
Südamerika

Blockade in Bolivien vorerst beendet

Kampagne gegen Regierung eingestellt. Oberstes Gericht verweigert Morales Kandidatur
Von Thomas Walter
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Hotspot Cochabamba: Mit Tränengas gehen Einsatzkräfte gegen die Blockierer vor (1.11.2024)

Nach einem Monat haben Aktivisten und Anhänger des früheren bolivianischen Präsidenten Evo Morales am Donnerstag ihre landesweite Kampagne gegen die Regierung von Luis Arce eingestellt. Während dieser Zeit wurden in der Provinz Chapare, Morales’ alter Basis als Gewerkschafter der Kokaproduzenten, vier Militärlager überrannt, 200 Soldaten festgesetzt und die Hauptstraßen blockiert. Grund: Bei den 2025 anstehenden Präsidentschaftswahlen will Morales erneut antreten, obwohl der Oberste Gerichtshof (TCP) das vergangene Woche ausgeschlossen hatte. Auslöser der Proteste war ein Anfang Oktober erlassener Haftbefehl gegen den Expräsidenten wegen Menschenhandels, Menschenschmuggels und Vergewaltigung. Morales weist die Anschuldigungen zurück und wirft seinem einstigen Schützling und Parteikollegen Arce von der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) vor, die Justiz zu seinen Gunsten zu manipulieren, um ihn als Konkurrenten auszubooten.

Es ist nicht der erste Versuch von Morales, die Bestimmung der Verfassung, die er selbst auf den Weg gebracht hat, zu ändern, nämlich dass ein Präsident maximal zwei Amtszeiten, am Stück oder mit Unterbrechung, absolvieren darf. Schon 2016 veranlasste er ein Referendum, das die unbegrenzte Wiederwahl zulassen sollte. Doch die Mehrheit der Bevölkerung sprach sich, entsprechend uralter indigener Traditionen zur Vorbeugung von Machtmissbrauch, dagegen aus. Ein Jahr später entschied der damals von Morales kontrollierte TCP dennoch mittels einer absurd anmutenden Begründung, dass die unbegrenzte Wiederwahl zulässig sei. So trat Morales bei der nächsten Wahl 2019 wieder an und gewann.

Kurz darauf setzte ein von der Rechten mit Rückendeckung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) orchestrierter Putsch die zweite Vizevorsitzende des Parlaments, die oppositionelle Jeanine Áñez, als Präsidentin ein. Die Begründung lautete Wahlbetrug, der allerdings nie nachgewiesen wurde. Morales reichte, wenig kämpferisch, mitsamt seinem Kabinett den Rücktritt ein und ging ins mexikanische Exil. Der jetzt wieder im Raum stehende Vorwurf der Vergewaltigung war damals zuerst von Áñez erhoben worden, wurde bald darauf aber fallengelassen.

Bei den Neuwahlen 2020 schickte Morales seinen Parteikollegen Arce, der als Architekt des spektakulären Wirtschaftsbooms der goldenen Jahre gilt, für die MAS ins Rennen. Dieser gewann auch prompt und bestrafte die Putschisten, so dass Morales nach Bolivien zurückkehren konnte. Arce setzte den bisherigen Kurs fort, allerdings weniger ideologisch aufgeladen als unter seinem Vorgänger. Doch die wirtschaftliche Situation verschlechtert sich seit langem wieder. Es gibt zu wenige Dollars im Land, Nahrungsmittel sind knapp und teuer, und an den Tankstellen bilden sich lange Schlangen – alles Konsequenzen des Einbruchs der staatlichen Gasförderung, die den Boom jahrelang finanziert hatte.

Zwischenzeitlich hat Morales seine militärischen Geiseln wieder freigelassen. Auch einen Hungerstreik zur Erreichung seiner Zulassung als Kandidat hat er nach vier Tagen abgebrochen. Es riecht nach Niederlage. Sein Gegenspieler allerdings, Präsident Arce, scheint nicht allzu sicher im Sattel zu sitzen. Seit Beginn von dessen Amtszeit verstärken sich antidemokratische und autoritäre Tendenzen. Arces Unterstützung ist gering, und es ist nicht lange her, dass er mit Hilfe der Inszenierung eines gescheiterten Staatsstreichs gegen sich die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten wenden wollte. Ohne Erfolg, die Episode führte vor allem zu Spott, anstatt wie gewünscht die Massen hinter ihm zu vereinen.

Es sieht so aus, als sei der antirassistische und soziale Aufbruch der MAS an seine Grenzen gestoßen. Von der Rechten ist nicht zu erwarten, dass sie die Situation zu ihren Gunsten nutzen kann. Der historische Drahtzieher der bolivianischen Rechten, der rassistische Unternehmer Luis Fernando Camacho aus Santa Cruz, sitzt im Knast und die verschiedenen Gruppen der alten Oligarchie sind untereinander zerstritten.

Frischer Wind wird wohl am ehesten von unten kommen, aus den schon immer stark organisierten und selbstbewussten indigenen Teilen der Gesellschaft. Ob die sich dem weltweiten Trend hin zu rechten Führerfiguren anschließen werden, ist aber fraglich. Der letzte legal gewählte Präsident aus der weißen Oberschicht, Gonzalo Sánchez de Lozada, der nicht einmal richtig Spanisch sprechen konnte, weil er sein Leben in den USA verbracht hatte, wurde 2003 von den verarmten Menschen des Altiplanos aus dem Amt gejagt. Bolivien war schon immer für Überraschungen gut.

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  • Leserbrief von Emil Berger (18. November 2024 um 14:40 Uhr)
    Woher hat Thomas Walter die Information, dass der Putschversuch gegen den bolivianischen Präsidenten Luis Arce von diesem selbst inszeniert worden ist? Gut, die Evistas, die Anhänger von Evo Morales werden das Behaupten, aber das Heißt nicht, dass es stimmt.
    In anderen lateinamerikanischen Ländern waren solche gescheiterten Aktionen von Teilen der Streitkräfte das Vorspiel für erfolgreiche Staatsstreiche. Das kann auch in Bolivien passieren. Die geopolitische Lage spricht dafür.
    Das Lithium ist nicht verschwunden, und Elon Musk hatte sich ja zu Zeiten des weisen Putsches der Frau Áñez positiv zu solchen Maßnahmen geäußert. Dazu kommt, dass die USA wahrscheinlich erstmalig die Streitkräfte Ecuadors, Perus und Chiles zu gemeinsamen Manövern zusammengeführt haben. Solche Tests der Interoperabilität sind eine Vorbereitung, um in das Nachbarland zu intervenieren.
    Das wird uns dann als Aufrechterhaltung der Stabilität des Landes verkauft werden. Dieser Vorschlag wurde schon vor einiger Zeit aus dem Kreis der Berater der deutschen Bundesregierung öffentlich geäußert.

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