Probejahr der Liebe
Von Gisela SonnenburgWaldromantik und Teufelsdüsternis: In »Der Freischütz« geht es zur Sache, was die wilde Natur angeht. Carl Maria von Weber schrieb die Oper nach einem Libretto von Friedrich Kind, die Rechte daran kaufte er dem Dichter für zunächst fünf Jahre ab. Niemand ahnte 1821, dass das ein Welterfolg werden würde. Heute wird das beliebte Werk, über dessen Ohrwürmer wie »Wir winden dir den Jungfernkranz« sich schon Heinrich Heine mokierte, als Meilenstein der Gefühlswelt in der Oper erkannt. Regisseur Andreas Kriegenburg setzt noch einen drauf – und inszeniert den »Freischütz« in der Hamburgischen Staatsoper in einem überdimensionierten Bretterverschlag auf der Bühne.
Wald und Wolfsschlucht – die harte Männer- und Jägerswelt – finden sich vor Barrikaden aus Holz. Nur die Frauen, etwa die sanfte Agathe, haben in einem kargen Zimmer ein Refugium der Harmonie. Ausstatter Harald B. Thor ist ein langjähriger Weggefährte des Regisseurs, gemeinsam tüftelten sie schon 2019 am Konzept. Corona vereitelte die Premiere, die nun für diesen Sonntag in Hamburg angesetzt ist.
Julia Kleiter wird Agathe singen. Maximilian Schmitt gibt ihren Liebsten Max. Der hat eine Pechsträhne, trifft mit keinem Schuss mehr. Für einen Jäger ist das schlimm, zumal er die Braut mit einem »Probeschuss« erringen muss. Für den lässt er sich auf einen teuflischen Pakt ein. Sein Rivale Caspar bereitet jedoch alles vor, damit Max versehentlich Agathe erschießt. Ein Eremit mit Wunderkräften verhindert schließlich das Schlimmste.
Die Pointe: Der Fürst sieht ein, dass die Sache mit dem Probeschuss eine Schnapsidee war. Stattdessen soll es fortan ein Probejahr der Liebe geben. Geduld als Tugend, Vernunft voran: Gar nicht irrational mutet der Schluss dieses Kunstmärchens an, dessen Erstfassung (mit tragischem Ausgang) übrigens von August Apel stammt und 1810 im »Gespensterbuch« erschienen war.
Aber nicht nur szenisch, auch musikalisch hat der »Freischütz« was zu bieten. Im Vergleich zur steifen Klassik wüten hier Klangwellen des Orchesters. Richard Wagners Gesamtkunstwerke sind ohne den »Freischütz«, den er als ganz junger Mann gesehen hatte, kaum denkbar. Die Hamburger Dramaturgin Angela Beuerle meint: »Man muss diese Klangwelten von Weber, die zu seiner Zeit revolutionär waren, heute wieder neu hören.« Der Schlusschor, so Dirigent Yoel Gamzou, sei »beinahe ein Oratorium«. Insgesamt gilt, was Regisseur Andreas Kriegenburg erfasst: »Theater ist eine Schule der Empathie.«
Premiere ist am 17. November, weitere Vorstellungen: 20., 23., 27. November
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