Weniger Krieg, weniger Liberalismus?
Von Arnold SchölzelBisher kannte das von deutscher Presse unterrichtete Publikum die »liberale Demokratie«. Die befindet sich demnach in einer globalen Schlacht gegen »autokratische Systeme« – die Gigantenschlacht der antiken Sage war vergleichsweise ein Klacks. Erdmutter Gaia stachelte ihre Kinder, die Giganten, auf, den Olymp zu stürmen, wobei riesige Felsbrocken und brennende Bäume flogen. Ähnliches hat Trump nach seinem Wahlsieg nicht nötig, Elon Musk garantiert, dass jeder ideologische Dreck weltweit explosionsartig verbreitet wird. Gesprengte Gebirge sind vergleichsweise harmlos.
Jedenfalls für Herfried Münkler, emeritierter Politikwissenschaftler und Guru der bundesdeutschen Kriegstüchtigkeit. Er erfand vor 20 Jahren zum Beispiel »Die neuen Kriege«: Die zwischen Staaten seien von gestern, heute massakrierten vor allem private Profiteure – Warlords, Terroristen, Söldner. Ungefähr also Trumps Weltsicht. Da hatten die USA mit einer »Koalition der Willigen« und den üblichen Lügen zum zweiten Mal nach 1991 den Irak überfallen, Jugoslawien war schon zertrümmert und Serbien 1999 niedergebombt worden. Seit 2001 wurden Afghanen abgeschlachtet – die Washington Post berichtete am 15. Mai 2023, der »Krieg gegen den Terror« habe zum Tod von etwa 4,5 Millionen Menschen geführt. Solche Erfolgszahlen, lässt sich sagen, schafft kein Warlord, da müssen schon Armeen her.
Am Freitag steht über einem Gastkommentar Münklers im Handelsblatt nun bang: »Geht die Ära der liberalen Weltordnung zu Ende?« In seinem Text kommt der Begriff nicht vor, auf die »liberale Weltordnung« sollte aber derjenige, der sie erfunden hat, ein Patent anmelden. Millionen Tote in staatlich geführten Kriegen lassen sich mit »liberal« offenbar problemlos vereinbaren. Münkler sieht dabei diese Ära durchaus kritisch. Vielleicht zuwenig Krieg in den vergangenen 33 Jahren? Das Ende der Sowjetunion und der »Blockkonfrontation« wurde aus seiner Sicht irrtümlich »für den Anbeginn einer Ära der liberalen Demokratie gehalten«. Das habe »zu einer Politik des Leichtsinns verführt«. Die neokolonialen Feldzüge, die sich im Namen der liberalen Demokratie aneinanderreihten, erwähnt er nicht, vielmehr spielt auch er die Endlosschleife, mit der Wahl Trumps ändere sich alles. Im Innern der USA: »Man wird bezweifeln müssen, dass die politische Ordnung der USA in vier Jahren noch dieselbe sein wird wie jetzt. Sie wird dann autoritärer sein, und Trump wird versucht haben, das Wahlrecht der ihm unliebsamen Wählergruppen einzuschränken.« Wer die Zukunft so genau kennt, der weiß auch, was außenpolitisch von Trump droht: Der sei kein »Freund der EU als Institution eines geschlossenen Auftretens der Europäer«. Münklers Prognose: »Deswegen hat er ein Interesse daran, die EU aufzulösen, zumindest deren Zusammenhalt zu schwächen.« Nach »Brexit«, dem Vormarsch von Nationalisten und Faschisten in der EU und der ersten Abstimmung im EU-Parlament, bei der die Christdemokraten am Donnerstag einen Antrag nur mit deren Stimmen durchbekamen, scheint es allerdings mehr auf Selbstauflösung hinauszulaufen. Trump muss nicht viel unternehmen.
Die größere Sorge hat Münkler im übrigen wegen mangelnder EU-Kriegstüchtigkeit: »Ohne den Rückhalt der USA werden die Europäer noch schneller zurückweichen, wenn Putin droht.« Und wegen Trumps Sanktionen gegen China: »Das wäre vor allem für Deutschland ein ökonomisches Desaster.« Da ist die Zukunft düster: »Es werden protektionistische und illiberale Zeiten sein, die auf uns zukommen.« Vielleicht mit weniger Kriegen mit Ausnahme von Trumps Lieblingskrieg in Nahost? Das wäre wirklich fast ein Ende der liberalen Weltordnung.
Münkler: »Es werden protektionistische und illiberale Zeiten sein, die auf uns zukommen.« Vielleicht mit weniger Kriegen mit Ausnahme von Trumps Lieblingskrieg in Nahost? Das wäre wirklich fast ein Ende der liberalen Weltordnung.
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