Jobtod auf zwei Rädern
Von Oliver RastUm die Poleposition ging es immer: in unwegsamem Gelände, auf asphaltierter Piste. Der Zweiradhersteller KTM aus Oberösterreich ist etwa im internationalen Rennsport Topmarke und Titelgarant zugleich. Nun droht ein unternehmerischer Motorschaden. Abermals. Denn der KTM-Mutterkonzern Pierer Mobility AG wolle weitere rund 300 Arbeitsplätze am Stammsitz Mattighofen und am Standort Munderfing vernichten, berichtete der ORF am Freitag. Anfang kommenden Jahres soll die Produktion zudem temporär stillstehen – der Grund: volle Lager, hohe Schulden (rund 1,5 Milliarden Euro).
Bereits am vergangenen Dienstag hatte Pierer Mobility laut Mitteilung eine »tiefgreifende Restrukturierung und zusätzlichen Liquiditätsbedarf« bei KTM angekündigt. Von einer Überbrückungsfinanzierung in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags ist da die Rede. Dazu liefen Gespräche mit der Kernaktionärin Pierer Bajaj AG und Gläubigern. Das Ziel: Kosten und Absatz ab dem Geschäftsjahr 2025 »auf einem redimensionierten Niveau stabilisieren.« Und weiter im Konzernsprech: Nur so ließe sich die Basis für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität schaffen.
Konkreter wurde KTM-Boss Stefan Pierer in einem Onlinebericht der OÖ Nachrichten am Donnerstag: »Im Jänner und Februar wird es eine Produktionsunterbrechung geben.« Das bedeute Kurzarbeit, Einschichtsystem – und nicht zuletzt Kündigungen. Erst im Frühjahr hatte das Unternehmen bekanntgegeben, 300 Stellen in der Fertigung sowie 120 in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung zu streichen, so der ORF. Binnen kurzer Zeit hat die Chefetage die Belegschaftszahl von 6.000 auf 5.200 dezimiert. Nach jüngstem »Sparplan« blieben 1.000 Arbeiter und 3.000 Angestellte übrig, zitierte der Staatsfunk einen Sprecher Pierers.
Apropos Pierer: Der KTM-Chef ist in Personalunion Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreichs. In der Doppelrolle hatte sich der schwerreiche, einflussstarke Mentor und Mäzen des früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) für den Zwölfstundentag und die 60-Stunden-Woche in der Alpenrepublik eingesetzt.
Wie reagieren Gewerkschafter? Stinksauer, angriffslustig. Beschäftigte sollen die Krisenzeche für die Überproduktion bei KTM zahlen, während Aktionäre Dividenden in Millionenhöhe einstreichen. »Wieder einmal«, ärgert sich Oliver Jonischkeit am Freitag im jW-Gespräch. Bei Großbetrieben mit Missmanagement sollte »auch über eine Übernahme in öffentliches Eigentum nachgedacht werden«, betonte der Bundessekretär des KPÖ-nahen Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) im ÖGB. Und Selma Schacht, Arbeiterkammerrätin der Kommunistischen Gewerkschaftsinitiative-International (Komintern), bemerkte gegenüber dieser Zeitung, dass »heuer schon die dritte Kündigungswelle in dem Betrieb losgebrochen ist.« Fraglos, ihre Organisation unterstütze den Kampf um Arbeitsplätze bei KTM. »Aktiv um jeden.«
Die Parteien im Nationalrat, was sagen die? Hunderte Kündigungen durch Pierer Mobility seien »verheerend für die Beschäftigten und ihre Familien«, hieß es seitens des SPÖ-Parlamentsklubs am Freitag gegenüber jW. Die jüngst abgewählte ÖVP-Grüne-Regierung habe es nicht vermocht, Österreich aus der Rezession zu führen. Nicht nur bei KTM seien Arbeitsplätze akut in Gefahr, branchenübergreifend Zigtausende. Axel Kassegger, Wirtschaftssprecher der rechten FPÖ, stimmte am Freitag in einem Statement standortnationalistische Töne an und beklagte »gewaltige Lohnkosten« beim Motorradbauer.
Von jenem Wortgeklingel abgesehen, bange Kollegen in Mattighofen und Munderfing wollen eins: Zurück in die Spur kommen – in den Werkshallen an der Produktionsstrecke.
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