75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Mittwoch, 20. November 2024, Nr. 271
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 20.11.2024, Seite 1 / Titel
Bundeswehrschulung

Bevor der Russe kommt

Krieg konkret: Bundeswehr trainiert Firmen für den Fall eines russischen Angriffs. Übung von Militär und zivilen Behörden in Berlin
Von Arnold Schölzel
1.JPG
23. Oktober 2023, Köln-Wahn: Übung mit Eintopf aus der Gulaschkanone des Territorialen Führungskommandos

Unter der Überschrift »Bundeswehr schult für den Kriegsfall« berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Dienstag über landesweit geplante Veranstaltungen auf der Grundlage des im Frühjahr vorgelegten »Operationsplan Deutschland«. Das Dokument aus dem Territorialen Führungskommando der Bundeswehr ist mehr als 1.000 Seiten lang, Details sind geheim. Es listet zum Beispiel alle Bauwerke und Infra­struktureinrichtungen auf, die fürs Militär besonders schützenswert sind, und enthält konkrete Planungen, wie im Normal-, Spannungs- oder Verteidigungsfall vorgegangen werden soll. Denn bereits jetzt ist die Bundesrepublik bei NATO-Manövern Drehscheibe für Zehntausende, bald vielleicht Hunderttausende Soldaten, die neben Kriegsmaterial, Lebensmitteln und Medikamenten stets nach Osten transportiert werden.

Im »Operationsplan Deutschland« wird auch die Rolle von Unternehmen im Kriegsfall geregelt. In der Handelskammer Hamburg gab es nun laut FAZ eine erste Unterweisung dazu. Oberstleutnant Jörn Plischke, Chef des Landeskommandos der Hansestadt, gab demnach dabei konkrete Ratschläge wie: »Bilden Sie auf hundert Mitarbeiter mindestens fünf zusätzliche Lkw-Fahrer aus, die Sie nicht benötigen.« Der Hintergrund: »70 Prozent aller Lastwagen auf Deutschlands Straßen werden von Osteuropäern bewegt. Wenn dort Krieg ist, wo werden dann diese Leute sein?«

Für den Ernstfall rate der Oberstleutnant, für das eigene Unternehmen einen konkreten Plan zu machen, was von welchen Beschäftigten in Krisenfällen erwartet werde. Zum Selbstschutz sei es wichtig, dass die ganze Belegschaft ein Gefühl für Sicherheitsfragen bekomme. Auch um Autarkie könne man sich bemühen, zum Beispiel mit einem Dieselgenerator oder einem eigenen Windrad. Der Oberstleutnant versucht laut FAZ Unternehmen in Handel, Industrie und Landwirtschaft »aufzurütteln«. Gespräche wie diese in Hamburg gebe es schon im ganzen Land. Die Bundeswehr habe der Zeitung mitgeteilt: »Alle Landeskommandos sind beauftragt mit der Umsetzung.«

Um den Ernst der Situation zu verdeutlichen, verwies Plischke auf allerhand Furcht- bis Grauenerregendes: Drohnenüberflüge und Ausspähversuche, Waffenlagerfunde und Attentatsplanungen auf Topmanager, Sabotage und Cyberangriffe, die »täglich und in steigender Frequenz« zu beobachten seien. »Shaping the Battlefield« nenne man das: »Russland hat angefangen, seinen Krieg vorzubereiten.« In vier bis fünf Jahren werde Moskau willens und in der Lage sein, weiter in Richtung Westen anzugreifen. Plischke konnte sich dabei auf die deutschen Nachrichtendienste berufen, also auf Deutsch-Amtliches, also Wahres.

Fürs Aufrütteln reicht das aber nicht. DPA berichtete am Dienstag: »Mit einem mehrtägigen Stresstest stellen Bundeswehr und Zivilbehörden ihre gemeinsamen Führungsstrukturen auf den Prüfstand. Dazu wurde eine länderübergreifende Übung begonnen, die Teil der Arbeiten am Operationsplan Deutschland ist.« Daran nehmen nach DPA-Informationen etwa 200 Fachleute aus unterschiedlichen Ressorts teil. Sie gehen in einem Lagezentrum in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin Verfahren durch, wie sie im Falle einer großangelegten Truppenverlegung über Deutschland nötig würden. Geübt werde ein Szenario, bei dem noch kein Spannungs- oder Verteidigungsfall vorliegt, die Teilnehmer aber auf Unfälle, Engpässe oder Störaktionen reagieren müssen. Normalfall ist jetzt Krieg.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Soldaten der Panzerbrigade 21 »Lipperland« in der Generalfeldmar...
    08.07.2023

    Berlins »Beistand«

    Angeblich Hälfte der Bevölkerung für dauerhafte Stationierung von 4.000 deutschen Soldaten in Litauen. Bellizisten begrüßen Zusage
  • Endlich Kriegspartei – Freude im Verteidigungsausschuss über Bun...
    17.05.2022

    100 Milliarden fürs Töten

    Dokumentiert. Vor der Beratung des Bundestags über das sogenannte Bundeswehrsondervermögensgesetz