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Aus: Ausgabe vom 20.11.2024, Seite 2 / Inland
IMI-Kongress

»Wir werden als Störfaktor wahrgenommen«

Am vergangenen Wochenende tagte in Tübingen der Kongress der Informationsstelle Militarisierung. Ein Gespräch mit Christoph Marischka
Interview: Dieter Reinisch, Tübingen
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Selbstfahrartillerie und Schützenpanzer der Bundeswehr am Tübinger Hauptbahnhof (4.2.2023)

»Zeitenwende« in Bildung und Hochschulen war das Thema des IMI-Kongresses vergangenes Wochenende in Tübingen. Wieso haben Sie diesen Schwerpunkt gewählt?

Nachdem in Deutschland Sondervermögen, die Aufrüstung und die entsprechenden Haushaltsänderungen sehr schnell und mit breiter parlamentarischer Mehrheit beschlossen wurden, steht jetzt in Sachen Kriegstüchtigkeit an, auch in gesellschaftliche Institutionen, wie Schulen und Hochschulen, hineinzuwirken. Wir hatten die Wahrnehmung, dass sich dagegen an vielen Stellen Widerstände auftun. Etwa die wieder aktiv werdende Zivilklauselbewegung, die Kampagnen gegen Wehrpflicht und eben auch an einzelnen Instituten, wie etwa bei dem Forschungszentrum DESY in Hamburg. Ziel des Kongresses war es daher, diese Widerstände zu sammeln, miteinander zu vernetzen und dadurch auch bekannter zu machen. Durchaus wollen wir damit auch wieder etwas Optimismus verbreiten, damit die Friedensbewegung wieder erstarken kann.

Wie wird zur Militarisierung der Gesellschaft in die Schulen und Universitäten hineingewirkt?

Beispielhaft ist das bayerische Bundeswehr-Gesetz, das Universitäten die Zusammenarbeit mit dem Militär vorschreibt, Zivilklauseln untersagt und vorschreibt, dass sich Schulen für Jugendoffiziere und militärische Karriereberater öffnen müssen. Das ist typisch bayerisch und die besonders reaktionäre Version. Aber entsprechende Vorstöße gibt es auch auf Bundesebene. Derartige Forderungen werden auch von AfD bis Grünen erhoben.

Welches Resümee ziehen Sie aus dem Kongress?

Er war gut besucht, wurde von Wüste Welle im Radio übertragen, und es gab einen Livestream. Einerseits wurden sehr wissenschaftskritische Positionen vertreten, aber zugleich haben auch sehr viele Personen aus der Wissenschaft selbst vorgetragen. Es gab etwa einige Vorträge von Physikern, die über ihre Widerstände berichtet haben.

Wie wird eure Arbeit und Kritik von den Leuten, die im Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb tätig sind, aufgenommen?

Unsere Kampagne für die Zivilklauseln wird von den Spitzenverbänden der Wissenschaft und den Rektoraten als Störung empfunden. Wir haben in den Vorträgen von Aktivisten gehört, dass sich die Hochschulleitung hier in Tübingen voll der Staatsräson unterwirft und die doppelten Standards zu Ukraine und Palästina reproduziert. Wir werden da als Störfaktor wahrgenommen, aber wir gehen auch sehr stark in die Konfrontation. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass die staatlichen Eingriffe, die gerade auf die Hochschulen zukommen, auch von denen als Zumutung gesehen werden. Vielleicht werden sich also in Zukunft auch da Gemeinsamkeiten auftun. Wir erkennen, dass sich im Wissenschaftsbetrieb, unter den Forschenden und Lehrenden, ein Verständnis entwickelt, was Kriegstüchtigkeit für sie selbst und für ihre Arbeit bedeutet.

Sie haben gesagt, dass sich die Wahrnehmung ändert, Sie aber dennoch als Störfaktor betrachtet werden. Was meinen Sie damit?

Wenn wir in der Vergangenheit rüstungsnahe Forschung kritisiert haben, dann gaben sich Wissenschaftler oft empört und haben sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen. Jetzt ist es so, dass sich diese Personen, wenn sie in der Rüstungsforschung arbeiten müssen, dann von der anderen Seite auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, und das ist schon einmal ein positiver Schritt.

Gibt es Repression oder andere Einschüchterungen, wenn sich Leute gegen die Aufkündigung der Zivilklausel an den Universitäten einsetzen?

Im Zusammenhang mit der Zivilklausel nicht, aber bei der Solidarität mit Palästina ist das ganz offensichtlich. Das haben wir auch beim Kongress thematisiert. Im Wissenschaftsapparat sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse weit verbreitet. Es ist gefährlich, sich gegen Rüstungskooperationen mit Israel auszusprechen. Dennoch gibt es Kampagnen und offene Briefe, die fordern, die Kooperation mit Israel bei der Forschung zu autonomen Waffensystemen einzustellen.

Christoph Marischka ist Mitglied des Bundesvorstands der Informationsstelle Militarisierung e. V.

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