Scholz verliert an Boden
Von Kristian StemmlerBundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sollte sich am Dienstag abend vom G20-Gipfel in Rio de Janeiro auf den Rückweg nach Berlin machen. Zur selben Zeit wollte die SPD-Führung zusammenkommen und diskutieren, ob Scholz oder doch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius Kanzlerkandidat der Partei bei den vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar werden soll. An dem Gespräch teilnehmen wollten die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken, Generalsekretär Matthias Miersch und die stellvertretenden Parteivorsitzenden. Das berichtete dpa am Dienstag. Klingbeil, Esken und Miersch hatten zuvor für die erneute Kandidatur von Scholz plädiert. Bisher gibt es noch keinen Beschluss des Parteivorstands. Die Entscheidung soll bis zur »Wahlsiegkonferenz« der SPD am 30. November fallen.
Indessen kritisierte Exparteichef Sigmar Gabriel den Kurs der Parteiführung: »An der Basis der SPD steigt jeden Tag der Widerstand gegen ein ›Weiter-so‹ mit Kanzler Scholz. Und der SPD-Führung fallen nur Beschwichtigungen und Ergebenheitsadressen ein«, schrieb der ehemalige Außen- und Wirtschaftsminister auf der Internetplattform X. Wer »das laufen lasse«, bringe die SPD unter 15 Prozent, warnte er.
Zuletzt war die Debatte um die sogenannte »K-Frage« trotz Bemühungen der Parteiführung hochgekocht. Mit Dirk Wiese und Wiebke Esdar sprachen sich die Vorsitzenden der einflussreichen NRW-SPD-Landesgruppe im Bundestag wenig verklausuliert für eine Kandidatur von Pistorius aus. Wiese und Esdar schrieben in einer Mitteilung, aus der Spiegel am Dienstag zitierte, es gehe aktuell um die Frage, was die »beste politische Aufstellung« für die Bundeswahl sei. Und weiter: »Dabei hören wir viel Zuspruch für Boris Pistorius.« Scholz kommt weniger gut weg. Sein »aktuelles Ansehen« sei »stark mit der Ampel-Koalition verknüpft«. Die Wortmeldung ist auch deshalb brisant, weil die Abgeordneten Kovorsitzende wichtiger Strömungen innerhalb der SPD-Fraktion sind: Esdar ist Sprecherin der sogenannten parlamentarischen Linken, Wiese des rechten Seeheimer Kreises.
Ihr Statement blieb nicht unwidersprochen. Es sei nicht in der NRW-Landesgruppe beschlossen worden, sagte der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer zu Reuters. Die Mitteilung sei »missverständlich« und habe unter den SPD-Bundestagsabgeordneten keine Mehrheit. Rückendeckung bekam Scholz auch von der saarländischen Ministerpräsidentin und Parteivize Anke Rehlinger. Scholz sei »der natürliche und richtige Kanzlerkandidat«, sagte sie gegenüber dem Magazin Stern. Dass es daneben »weitere gute SPD-Politiker« gebe, sei »wunderbar«, Pistorius leiste »hervorragende Arbeit«. Ähnlich äußerte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Es sei klar, dass »der Bundeskanzler unser Kandidat wird«, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag. Scholz habe das Land »umsichtig und entschieden durch schwere Krisenzeiten geführt«.
Der frühere SPD-Chef Norbert Walter-Borjans drängte auf eine schnelle Klärung der Kandidatenfrage. Scholz habe das Land »in einer extrem schweren Zeit vor viel Bedrohlichem bewahrt«, erklärte Walter-Borjans gegenüber der Rheinischen Post am Montag. Wahr sei aber auch, dass CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz »nur mit einem Kanzler zu verhindern wäre, der auf den letzten Metern die Kraft aufbringt, selbstkritisch und nahbar den Unterschied deutlich zu machen«. Das sei Scholz’ »schwacher Punkt«.
Pistorius bestritt unterdessen weiterhin eigene Ambitionen, hielt sich eine Kandidatur aber prinzipiell offen. »In der Politik sollte man nie irgend etwas ausschließen, ganz egal, worum es geht«, sagte der Minister am Montag abend bei einer Veranstaltung in Passau. Das einzige, was er definitiv ausschließen könne, sei, dass er »noch Papst werde«.
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