Letzte Patrone des Tages: Andrij Melnyk
Von Felix BartelsJeder Krieg kriegt seine Erzählungen. Und wird zum Krieg der Erzählungen. Der Ukraine-Krieg war kein Verhängnis, nicht mal ein Ausbruch. Allenfalls Etappe eines langen Kampfes konkurrierender Mächte um ökonomische und geostrategische Einflusssphären. NATO-Osterweiterung, Sicherung des EU-Raums, Weltmarkt, Zugriff auf Rohstoffe, Erschließung von Absatzmärkten, Kapital- und Warenexport. Mit etwas Analyse käme man hin, die Erzählungen aber handeln von anderen Dingen. Antifaschismus und antikolonialer Befreiungskampf auf der einen, wertegeleitete Außenpolitik und Angst vorm russischen Joch auf der anderen Seite. Propaganda halt.
Einer, der diesen Job überfüllt hat, musste im Oktober 2022 sein Büro ausräumen. In einem Interview mit Thilo Jung hatte Andrij Melnyk, bis dahin Botschafter des ukrainischen Staats in Berlin, das Spiel zu weit getrieben. Nicht seine Sympathie für den Nazi Bandera und nicht seine wahnsinnigen Behauptungen über die sowjetische Hungersnot 1932/33 waren Anlass, sondern seine Leugnung der banderistischen Massenmorde in Galizien. Gewiss ist die Ukraine kein faschistischer Staat, dazu fehlt es nicht nur, aber vor allem an einer entsprechenden Verfassungsform. Im jüngeren Bandera-Kult drückt sich kein genuiner Faschismus aus, als Element des »Nation Building« wird er genutzt, eine separate ukrainische Identität zu schaffen. Und das Kunststück, das die deutschen Verbündeten hinbekommen müssen, ist, diesen Komplex am besten ganz zu ignorieren. Melnyks Vergehen bestand darin, ihnen das unmöglich gemacht zu haben.
Kaum beeindruckt ramentert Melnyk weiter, schwer abzustellen so eine Psychose. Am Dienstag sagte er dem RND, Deutschland dürfe nicht nachlassen, andernfalls »stehen die Russen bald wieder vor dem Brandenburger Tor«.
Wieder. Ein Wort sagt mehr als tausend Erzählungen.
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