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Aus: Ausgabe vom 20.11.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Endlager in Hohentengen

Schweizer Atommüllpläne

Im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet plant die Regierung der Alpenrepublik ein Endlager
Von Kim Nowak
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Bei der Endlagersuche: Nagra-Spezialisten bei der Bohrung im schweizerischen Stadel

Wohin mit dem ganzen Müll, den die Atomkraftwerke hinterlassen? Diese Frage stellt sich auch die Schweiz, und sie will in dieser Woche entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Gerichtet an das Bundesamt für Energie (BFE) will die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) ein Gesuch stellen.

Dieses soll die Schaffung eines Tiefenlagers in Nördlich Lägern im Kanton Zürich beinhalten, eine von der Nagra als der »sicherste Ort« für die Endlagerung radioaktiver Abfälle bezeichnete Lösung. Diese Entscheidung dürfte nicht nur die Bevölkerung der Alpenrepublik betreffen, sondern auch Bewohner aus der BRD. Denn Nördlich Lägern befinden sich nur knapp 30 Kilometer von der 4.000-Einwohner-Gemeinde Hohentengen am Hochrhein entfernt. Die Debatte über diesen Standort beschäftigt demnach auch die deutsche Seite.

Seit zwei Jahren ist bekannt, dass Bern das Atomendlager dort bauen will. Konkret in Stadel, ein Ort mit gerade einmal 2.300 Einwohnern. Es ist wenig verwunderlich, dass Bedenken auf beiden Seiten des Rheins bestehen, doch Widerstand gegen den Bau hat bislang wenig geholfen. Die Gemeinde steht der Entscheidung sogar »offen gegenüber«, hatte etwa Bürgermeister Jürgen Wiener im vergangenen Jahr erklärt, dass es nicht um Akzeptanz, sondern »Toleranz« gehe. Auf die Gefahren, die mit dem Bau einhergehen können, hat Toleranz indes wenig Einfluss. Denn anders als die Nagra betont, ist es alles andere als sicher: Besonders geologische Gründe spielen eine zentrale Rolle, werden von den Verantwortlichen aber nicht ernst genommen.

Darauf verweist etwa der Geologe Marcos Buser. In der Gegend existiere ein Trog, in dem womöglich Erdgas vorhanden ist. Solange diese Frage nicht restlos geklärt sei, sei der Bau unverantwortlich: »Findet man tatsächlich Erdgas, dürfte das Endlager in diesen Gebieten gezählt sein.« Auch verweist er mit seinem Kollegen Walter Widi auf ein Grundwasserproblem: Sollte an den entsprechenden Orten gebohrt werden, würde das Grundwasser als Thermalwasser mit einer Temperatur von mindestens 20 Grad Celsius aufsteigen. Ein weiteres Problem ist die lange Lagerung. Axel Mayer von der Mitwelt-Stiftung Oberrhein sieht die Schweiz dafür nicht in der Lage: »Es wachsen allerdings die Zweifel, ob die Schweiz den langlebig hochradioaktiven Müll für eine Million Jahre sicher lagern« könne.

Warum die Nagra und auch die Alpenrepublik diese Gefahren in Kauf beziehungsweise nicht ernst nehmen, könnte auf strategische und finanzielle Überlegungen zurückzuführen sein. Einerseits erwarte man weniger Widerstand gegen das Projekt (wie in der Gemeinde Hohentengen bewahrheitet), andererseits hoffen sowohl die Schweiz als auch Deutschland auf einen »Geldsegen«. Denn der Bau des Endlagers kostet den Steuerzahler etwa 800 Millionen Schweizer Franken (etwa 858 Millionen Euro), wovon der Bund 100 Millionen Schweizer Franken (etwa 107 Millionen Euro) übernimmt. Nutznießer wären die anliegenden Gemeinden und Ortschaften, die in der faktischen Gefahrenzone liegen.

Doch auch ein anderer Punkt wird deutlich, wie Axel Meyer von der Mitwelt-Stiftung schlussfolgert: »Nationale Vorteile werden genossen – Risiken aber international geteilt.« Zusätzlich sind noch weiterhin drei Atomkraftwerke in Betrieb, bei denen sich bei knapper Kapazität von Nördlich Lägern erneut die Frage eines Endlagers stellen wird. Ob sich dann größerer Widerstand bilden wird, muss sich zeigen. Mit Blick auf die Risiken erscheint es notwendig.

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