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Aus: Ausgabe vom 20.11.2024, Seite 15 / Antifaschismus
Opfer der Naziherrschaft

Verfolgt und vergessen

Berlin: Ausstellung über das Schicksal von in der Nazizeit als »Asoziale« Inhaftierten
Von Carmela Negrete
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Liddy Bacroff wurde 1943 im KZ Mauthausen-Gusen ermordet (1933)

Liddy Bacroff wurde nur 35 Jahre alt. Die transgeschlechtliche Frau aus der Hamburger Provinz hatte sich einen Namen auf der Bühne gemacht. Wegen Prostitution wurde sie von den Nazis zur »Sicherungsverwahrung« verdammt und später in das Konzentrationslager Mauthausen-Gusen verschleppt, wo sie am 6. Januar 1943 ermordet wurde. Ein paar Fotos der zierlichen Frau mit kurzen blonden Haaren sind geblieben, sowie einige Texte, in denen sie sich mit ihrer sexuellen Identität auseinandersetzte.

Während der Nazidiktatur wurden sie als »Asoziale« oder »Berufsverbrecher« verfolgt, in Konzentrationslagern inhaftiert und ermordet. Es sind die Schicksale ganz unterschiedlicher Biographien, denen sich eine Ausstellung widmet, die von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg unter dem Titel »Die Verleugneten. Opfer des Nationalsozialismus 1933–1945 – heute« organisiert wurde. Zur Zeit ist sie in Berlin neben dem Brandenburger Tor zu sehen. Es ist kein Zufall, dass hier konkrete Details zum Leben von Menschen präsentiert werden, die in die Fänge der Nazibehörden geraten waren: »Wir haben uns entschieden, die individuellen Geschichten von Verfolgten in den Mittelpunkt der Ausstellung zu stellen, gerade weil ihnen bislang keine Aufmerksamkeit galt und sie keine Stimme hatten«, erklärt Oliver Gaida, Mitglied des kuratorischen Teams der Ausstellung, gegenüber jW.

Es sei nicht einfach gewesen, mehr über einzelne Opfer zu erfahren, denn lange Zeit nach dem Krieg wurden diese weder anerkannt noch entschädigt. »Anfangs schien es bei den Recherchen fast aussichtslos, mehr über einzelne Verfolgte zu erfahren«, da viele Überlebende kaum Zeugnisse hinterlassen hätten. Dennoch sei es gelungen, »Verfolgungswege von Frauen, Männern und Jugendlichen nachzuzeichnen – sogar für das von der Wehrmacht besetzte Ausland«, so Gaida. Er versichert, dass, an diese Informationen zu gelangen, »nur dank der Unterstützung engagierter Angehöriger möglich« war.

Auch Opfervereine und Parteien sahen lange über diese Geschädigten hinweg, wie man in der Ausstellung erfährt: »Klassische linke und antifaschistische Organisationen ignorierten sie lange Zeit nicht nur, sondern werteten Menschen ab, denen die Nationalsozialisten vorgeworfen hatten, nicht arbeiten oder sich nach begangenen Straftaten nicht bessern zu wollen«, so Gaida. Schuld daran seien die faschistischen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Psyche: »Die zugrundeliegende Ideologie wirkt bis heute fort.«

Das wird an dem Aquarell von Georg Tauber mit dem Titel »Die Last« deutlich, das in der Ausstellung gezeigt wird. Der Maler überlebte – abgestempelt als »asozialer« Häftling – das Konzentrationslager Dachau und erlebte nach dem Krieg, dass sich die anderen Gefangenen, die aus politischen Gründen verfolgt worden waren, nicht für ihn interessierten. Gaida erklärt dazu, dass einerseits »bei der Ablehnung von als ›Asoziale‹ oder ›Berufsverbrecher‹ Verfolgten durch Opferbetreuungsstellen zu lesen« sei, »dass die in den Stellen tätigen Gutachter, meist ehemalige politisch Verfolgte, in den Angehörigen der beiden Verfolgtengruppen eine Gefahr für das Ansehen der anerkannten NS-Verfolgten sahen«. Gaida stellt aber auch fest: »Rückblickend auf die Lagerzeit gibt es auch das Bild, die beiden Verfolgtengruppen seien von der Polizei und der SS bewusst zur Desavouierung der ›Politischen‹ in die KZ verbracht worden.«

Der Ausstellung ist es gelungen, zu vermitteln, dass jeder während der Nazidiktatur durch Pech, Armut oder kleine Verbrechen hätte in einem Konzentrationslager landen können. Dass diese Schau eine Wanderausstellung ist, ist ein Vorteil, der das Manko ausgleicht, dass praktisch keine historischen »Objekte« zu finden sind, außer Tonaufnahmen von Zeitzeugen. Obgleich die Ausstellung an einem zentralen Ort zu finden ist, ist die Galerie »B. Place« eher unbekannt. Obwohl sie schon seit Oktober läuft, gab es bisher nur einen Artikel im Freitag mit dem Titel »Selbst Geschichtslehrer wissen oft nichts über diese so lange verleugneten NS-Opfer«. Diese vergessenen Opfer hätten einen wichtigeren Ort verdient, wie zum Beispiel das Deutsche Historische Museum.

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