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Aus: Ausgabe vom 28.11.2024, Seite 1 / Titel
Libanon

Auf tönernen Füßen

Waffenruhe zwischen Israel und Hisbollah im Libanon in Kraft: Tausende Libanesen kehren in den Süden zurück, Skepsis auf israelischer Seite
Von Jakob Reimann
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Rückkehr in die Zerstörung: Eine Libanesin erreicht am Mittwoch ihr zerbombtes Haus in Tyre

Endlich hat Israel einem Waffenstillstand mit der libanesischen Hisbollah zugestimmt. Um vier Uhr Ortszeit sollten am Mittwoch die Waffen schweigen und so ein mögliches Ende des Krieges eingeleitet werden, in dem Tausende getötet wurden und in dem Israel ganze Dörfer im Südlibanon ausgelöscht hatte. Rund 1,2 Millionen Libanesen wurden seit Kriegsbeginn vor über einem Jahr vertrieben, die meisten davon aus dem Süden. Tausende kehren nun zurück. Bis zu 70.000 Israelis sind aus den nördlichen Grenzregionen evakuiert worden, doch viele weigern sich, in ihre Häuser zurückzukehren.

Ein »hochrangiger Beamter« soll der emiratischen Zeitung The National den Text des von Washington vermittelten Abkommens zugespielt haben. Demnach verpflichtet sich die libanesische Regierung, Angriffe der Hisbollah und anderer bewaffneter Gruppen auf israelisches Gebiet zu unterbinden, und Israel wird »keine offensiven Militäroperationen gegen libanesische Ziele« durchführen. Schon am ersten Tag meldete das israelische Militär im Süden jedoch mehrere Zwischenfälle, bei denen die Armee Schüsse auf verdächtige Personen abgegeben habe.

Abgesehen von den internationalen UNIFIL-Truppen sollen nach Ablauf von maximal 60 Tagen südlich des Litani-Flusses nur noch libanesische Streitkräfte an den Waffen sein. Die Hisbollah muss sich also aus dem bis zu 30 Kilometer breiten schiitisch geprägten Streifen entlang der israelischen Grenze zurückziehen. Im selben Zeitraum muss Israel seine Besatzung südlicher Gebiete aufgeben und seine Truppen abziehen. Das libanesische Militär soll Import und Produktion von Waffen durch die Hisbollah unterbinden und auch sämtliche ihrer Produktionsanlagen im Land demontieren.

Nach der Zustimmung des israelischen Sicherheitskabinetts demonstrierten wütende Israelis etwa in Tel Aviv und forderten, dass die Armee im Südlibanon bleibe. Die Regierung solle sicherstellen, »dass die Hisbollah zerstört und eliminiert wird«, sagte ein Demonstrant gegenüber NBC. »Selbst Netanjahu glaubt offensichtlich nicht an seine Versprechen, dass die Bewohner des Nordens sicher nach Hause zurückkehren können«, so eine Analyse bei Haaretz. Das Abkommen sei vielmehr das Resultat des »starken Drucks aus Washington«. US-Präsident Joe Biden wolle seine Amtszeit mit einem außenpolitischen Erfolg beenden und habe gedroht, Resolutionen im UN-Sicherheitsrat, die die israelische Kriegführung verurteilen, nicht wie üblich durch ein US-Veto zu versenken, oder Waffenlieferungen auf Eis zu legen. Netanjahu hingegen wolle durch sein Einlenken »Zeit gewinnen, bis Donald Trump ins Weiße Haus einzieht«, der ihm einen größeren Handlungsspielraum einräumen würde. Netanjahus rechte Basis und seine extrem rechten Minister verurteilten das Abkommen. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir nannte es auf X einen »schweren Fehler«.

In den Tagen vor dem Waffenstillstand hatte Israel seine Angriffe im Libanon noch einmal verstärkt. Wenige Stunden vor der Verkündung wurde Beirut bombardiert, und am Wochenende hatte Israel bunkerbrechende Bomben eingesetzt, um ein mehrstöckiges Wohnhaus im Zentrum der Hauptstadt dem Erdboden gleichzumachen. 29 Menschen wurden bei dem Anschlag getötet. Die jetzige Waffenruhe steht auf tönernen Füßen, denn der Krieg in Gaza wird dort mit keinem Wort erwähnt. Doch in Reaktion darauf hatte die Hisbollah mit ihrem Beschuss auf Israel begonnen. Nun wird erwartet, dass sich Netanjahus Regierung wieder mit aller Kraft dem Krieg in der nahezu vollständig zerstörten Enklave widmen wird.

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