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Aus: Ausgabe vom 28.11.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Repression gegen kurdische Bewegung

Verhandlungstrumpf gegenüber Ankara

Vergangene Woche wurden gleich vier Kurden in Deutschland wegen PKK-Kadertätigkeit festgenommen
Von Nick Brauns
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Großdemonstration für die Freilassung von Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage (Köln, 16.11.2024)

Es war ein großer, in dieser Form bisher nicht erfolgter Schlag: In Bremen, Berlin und Magdeburg wurden am Donnerstag vergangener Woche gleich vier kurdische Aktivisten wegen angeblicher Kadertätigkeit für die seit 1993 in Deutschland verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK festgenommen. Der Vorwurf lautet auf Mitgliedschaft in einer »terroristischen Vereinigung im Ausland« nach dem Strafrechtsparagraphen 129 b. Das klingt gefährlich, doch individuelle Straftaten oder gar Gewalttaten werden deswegen verfolgten und angeklagten kurdischen Aktivisten in der Regel gar nicht vorgeworfen. Vielmehr werden PKK-Kader in Deutschland nach der Logik des Terrorparagraphen in Kollektivhaftung für Guerillaaktionen in der Türkei genommen. An sich legale Aktivitäten wie die Organisation von Demonstrationen, das Abhalten von Schulungen, das Sammeln von Spenden oder das Schlichten von Streitigkeiten in der kurdischen Community gelten dann als terroristische Straftaten, da sie aus Sicht der Ermittlungsbehörden als »typische Leitungsfunktionen« im Auftrag der PKK erfolgten.

Derzeit befinden sich 18 Kurden unter dem Vorwurf der PKK-Mitgliedschaft in deutscher Straf- oder Untersuchungshaft. Dabei hat die Bundesanwaltschaft ihren Verfolgungswillen gegen die kurdische Befreiungsbewegung längst auf das europäische Ausland ausgeweitet. So wurden in den letzten Monaten die Auslieferungen kurdischer Aktivisten aus Schweden, Italien und Spanien durchgesetzt. Ein Journalist in den Niederlanden konnte sich einem Auslieferungsersuchen der deutschen Justiz gerade noch entziehen.

Die Ermittlungsverfahren gegen die vier in der vergangenen Woche in Deutschland Festgenommenen gingen auf unterschiedliche Staatsanwaltschaften zurück. Dass der Zugriff am selben Tag erfolgte, soll wohl ein Signal an Ankara sein. Das vermutet jedenfalls Arno-Jermaine Laffin vom Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden Azadi gegenüber junge Welt. Schließlich habe Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober während seines Besuchs bei Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul damit geprahlt, wie entschlossen die Bundesrepublik gegen die PKK vorgehe. »Das zeigt erneut, dass die Verfolgung der PKK vor allem außenpolitischen Interessen geschuldet ist«, meint Laffin. Die Repression gegen Kurden werde von der Bundesregierung als Verhandlungstrumpf gegenüber der türkischen Regierung genutzt. Für diese Einschätzung spreche auch, dass die Bundesanwaltschaft dem in Berlin festgenommenen Mehmet Karaca eine Kadertätigkeit in den Jahren 2014 und 2015 und dann erst wieder ab Juni 2024 vorwirft. »Wären er und die PKK tatsächlich so eine große Gefahr für Deutschland, hätte man wohl kaum neun Jahre bis zu einer Festnahme gewartet«, so der Azadi-Mitarbeiter.

Im Gegenzug für eine verschärfte Verfolgung der PKK und die Zusage weiterer Waffenlieferungen erwartet Berlin von Ankara unter anderem die Rücknahme Tausender türkischer Staatsbürger, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Mehrheitlich handelt es sich bei ihnen um Kurden.

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