Kein Brot mehr in Gaza
Von Ina SembdnerDie Nachricht ist anderen Medien offenbar keine Meldung wert: Am Donnerstag abend berichtete Tagesschau.de unter Verweis auf ein dem ARD-Studio Tel Aviv zugespielten und bislang unveröffentlichten Bericht von Amnesty International, dass die Menschenrechtsorganisation zu dem Schluss kommt, dass Israel einen Völkermord gemäß UN-Konvention begehe. Unter dem Titel »Israels Genozid gegen die Palästinenser in Gaza« führt die Organisation als Begründung an, dass Israel absichtlich die Lebensgrundlagen der Menschen in Gaza zerstört habe.
Die von der Konvention geforderte genozidale Absicht wird unter anderem mit Aussagen der Regierung und des Militärs belegt. Tagesschau.de führt hier den Exverteidigungsminister Joaw Gallant an, der gegenüber Soldaten am 10. Oktober 2023 erklärte: »Keine Kompromisse! Gaza wird nicht zu dem zurückkehren, was es war, die Hamas wird nicht mehr existieren. Zerstört alles.« Ein Oberst wird aus einem Fernsehinterview zitiert mit den Worten: »Das wird Brachland, hier werden sie nicht mehr leben können.« Ein Soldat wiederum forderte in einem Video auf Instagram: »Wir müssen Gaza zerstören, ein für alle Mal – und Gaza in Strände und Fußballplätze verwandeln – in einen Ort, der uns gehört.«
Diese und zahlreiche weitere Aussagen sind auch in der Anklageschrift Südafrikas beim Internationalen Gerichtshof nachzulesen, der Anfang des Jahres befand, dass »zumindest einige der von Israel im Gazastreifen begangenen Handlungen und Unterlassungen unter die Bestimmungen der Völkermordkonvention zu fallen scheinen«. Amnesty erklärt laut ARD darüber hinaus: Selbst wenn Israel »fahrlässig« handle – indem es hohe zivile Opferzahlen beim Kampf gegen die Hamas »in Kauf nehme« –, sei dies ein Beweis für die Absicht zum Völkermord. Die israelische Regierung äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Bericht, die Organisation selbst wolle sich bis zur (nicht datierten) Veröffentlichung nicht weiter zum Völkermordvorwurf äußern.
Im Gazastreifen bleibt die Lage unterdessen so katastrophal und verzweifelt wie in den vergangenen knapp 14 Monaten. Bei israelischen Bombenangriffen wurden in der Nacht und am Freitag mindestens 40 Palästinenser getötet, viele von ihnen im Flüchtlingslager Nuseirat im Zentrum der Enklave. Der Rest wurde in den nördlichen und südlichen Gebieten des Gazastreifens getötet, fügten Mediziner hinzu. Das israelische Militär gab am Freitag keine neue Erklärung ab, hatte aber am Donnerstag standardmäßig erklärt, dass seine Streitkräfte weiterhin »Terrorziele als Teil der operativen Aktivitäten im Gazastreifen« angreifen. Israelische Panzer waren am Donnerstag in nördliche und westliche Gebiete von Nuseirat vorgedrungen. Am Freitag zogen sie sich aus den nördlichen Gebieten zurück, blieben aber in den westlichen Teilen des Lagers aktiv. Der palästinensische zivile Rettungsdienst teilte mit, dass die Teams nicht in der Lage waren, auf Notrufe von Bewohnern zu reagieren, die in ihren Häusern eingeschlossen waren.
Getötet wurde nach Angaben von Medizinern in Beit Lahija auch der Leiter der Intensivstation des Kamal-Adwan-Krankenhauses, Ahmed Al-Kahlut, eine der wenigen noch rudimentär funktionalen Gesundheitseinrichtungen im seit Anfang Oktober abgeriegelten Norden der Enklave. Al-Kahlut wurde durch eine von einer israelischen Drohne abgefeuerten Rakete getötet, als er durch das Krankenhaustor ging, berichteten zwei medizinische Mitarbeiter gegenüber Reuters. Anfang der Woche waren der Direktor des Krankenhauses und zwölf weitere Mediziner bei ähnlichen Angriffen verwundet worden, wie das Gesundheitsministerium in Gaza mitteilte. Die israelische Armee gab keine unmittelbare Stellungnahme ab.
Das Welternährungsprogramm erklärte seinerseits auf X, dass alle Bäckereien im Zentrum des Gazastreifens wegen schwerer Versorgungsengpässe geschlossen wurden. »Brot ist für viele Familien eine Lebensgrundlage – oft das einzige Lebensmittel, das sie bekommen können. Jetzt wird selbst das unerreichbar«, so die UN-Organisation, die dringend dazu aufruft, lebenswichtige Hilfe in die belagerte Enklave zu bringen. Das Palästina-Hilfswerk UNRWA wies in einer Erklärung zum Internationalen Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk darauf hin, dass der Gazastreifen seit Oktober 2023 die intensivsten Bombardierungen einer Zivilbevölkerung seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt.
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