»Sie sehen Afrika als Absatzmarkt«
Interview: Gitta DüperthalBeim 5. German-African Business Summit vergangene Woche in Kenia ging es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von Bündnis 90/Die Grünen, weiteren deutschen Politikern und einer Wirtschaftsdelegation darum, das »Engagement« von Unternehmen und deren Verbänden in Afrika zu befördern. Vor dem Hintergrund, dass sich die BRD aktuell mit Handelspartnern wie China oder den USA in verschärftem Wettbewerb sieht: Was könnte das für die Entwicklung des Gesundheitswesens dort bedeuten?
Unsere Kampagne richtet ihr Augenmerk darauf, dass das globale Patent- und Handelsrecht in erster Linie den Pharmakonzernen Gewinne sichert, Bedürfnisse von in Armut lebenden Menschen in der medizinischen Forschung und Versorgung aber vernachlässigt. In der sich verschärfenden internationalen Konkurrenz kämpfen China, die USA und die BRD gleichermaßen um die globalen Märkte. Für den Pharmabereich heißt das: Konzerne aus reicheren Ländern sichern sich mit Patenten auf Arzneimittel und Technologien Monopole.
Die Preise gehen in die Höhe und sind für die meisten Menschen in Afrika unbezahlbar. Eingeprägt hat sich mir eine Äußerung aus dem Auswärtigen Amt zur globalen Nord-Süd-Beziehung: Man beklagte die natürliche Ressourcenarmut Deutschlands, deshalb müsse man die Ressource »geistiges Eigentum« mit aller Kraft verteidigen. Monopolisiert man Wissen im Gesundheitswesen und macht daraus ein Geschäftsmodell, ist das aus meiner Sicht eine Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln. Erinnern wir uns an den Umgang mit AIDS-Medikamenten. Weil diese in Afrika jahrelang nur zu überhöhten Preisen zu haben waren, gab es für Patientinnen und Patienten kaum Zugang. Für viele endete das tödlich.
Der hessische Minister für Internationales, Manfred Pentz von der CDU, lobte die im Juni gegründete »African Vaccine Manufacturing Accelerator«-Initiative. Er kündigte an, den Aufbau von Produktionskapazitäten für Impfstoffe, Medikamente und medizinische Produkte in Ostafrika zu fördern.
Wie sich die von ihm erwähnte Impfstoffinitiative für lokale Produktion positiv bemerkbar macht, hängt von Faktoren ab, wie etwa: Wie wird mit dem geistigen Eigentum umgegangen, wer erhält die Rechte, wie hoch sind geforderte Lizenzzahlungen? Wie hoch sind letztlich die Preise für die Impfstoffe? Was bleibt für Ostafrika von dort aufgebauten Produktionsstätten, wenn die Gewinne nach Deutschland abfließen?
Es stimmt misstrauisch, wenn Pentz Afrika als »Chancenkontinent« preist und »diese Möglichkeiten« für Hessen »nutzbar machen« will. Das klingt nicht danach, Afrika unterstützen zu wollen, sondern als Absatzmarkt zum eigenen Nutzen zu betrachten. Wenn Unternehmen versuchen, hohe Preise durchzusetzen, geht das zu Lasten der Menschen dort.
Wie werten Sie Habecks Auftritte, wenn er Unterstützung für Afrika verspricht, zugleich aber die schnell wachsende junge Bevölkerung und den Ressourcenreichtum dort lobt?
Habeck und Bentz sprachen auch über die Anwerbung medizinischen Fachpersonals für Deutschland. Dieses ist in ostafrikanischen Ländern selbst nicht ausreichend vorhanden. So ein Geschäftsmodell mit menschlichen Ressourcen ist das Gegenteil von Unterstützung. Es würde Afrikas Entwicklungspotentiale schmälern und den Mangel für die dortige Bevölkerung verschärfen.
Aus Pentz’ Ministerium heißt es: »In den nächsten Jahren« hätten »Länder wie Deutschland, Frankreich, die USA, Kanada und Japan« über eine Milliarde US-Dollar dafür zugesagt. Klingt eher wolkig, oder?
Tatsächlich geht daraus nicht hervor, wieviel Geld konkret pro Jahr fließt – und wieviel davon aus Deutschland. Nachfrage aus Afrika nach Produktionsstätten besteht, um Impfkampagnen durchführen zu können und zukünftige Todesfälle abzuwenden. Entscheidend sind aber die Bedingungen: Es darf keinesfalls wieder so kommen wie im Fall von Covid, als die öffentlichen Mittel, die in die Erforschung der Impfstoffe investiert wurden, zu enormen privaten Profiten in der Pharmaindustrie führten. Denn diese Profiteure beharrten auf ihrem geistigen Eigentum und ließen die Herstellung von preiswerten Generika nicht zu.
Jörg Schaaber ist Sprecher der BUKO Pharmakampagne
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (9. Dezember 2024 um 11:03 Uhr)Die Fortsetzung des Kolonialismus mit neuen Mitteln, jedoch dem alten verachtenden Menschenbild des rassistischen Weißen Mannes.
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