BSW will regieren
Von Karim NatourDas BSW will »gestalten«, wie es so schön heißt. Nachdem die SPD dem Koalitionsvertrag für Brandenburg am Freitag zugestimmt und damit den Weg frei für eine Koalition mit der Partei von Sahra Wagenknecht gemacht hatte, hat das BSW nun auch dem Koalitionsvertrag für Thüringen zugestimmt. Bei dem Landesparteitag in Ilmenau stimmten 76 der stimmberechtigten Abgeordneten für die Regierungsbeteiligung, 26 votierten dagegen, es gab zwei Enthaltungen. Damit steht der Freistaat kurz vor Deutschlands erster »Brombeer«-Koalition von BSW, SPD und CDU. Letztere hat den Vertrag bereits abgenickt. Nur noch die SPD muss zustimmen. Bis Montag nachmittag läuft ein Mitgliederentscheid. Die Jugendorganisation der Partei hat sich in der Vergangenheit gegen eine Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten ausgesprochen.
Die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf hatte vor der Abstimmung angekündigt, ihre Partei werde in Thüringen eine »starke Stimme sein gegen eine immer stärkere Kriegslogik« und eine ostdeutsche Perspektive einbringen. »Das, was am Abendbrottisch diskutiert wird, das wollen wir in konkrete Politik übersetzen.« Nach der Abstimmung erklärte sie, mit dem Eintritt in die Koalition wolle das BSW zu einem »Neustart« für Thüringen beitragen. Parteigründerin Sahra Wagenknecht sprach bei der Mitgliederversammlung von einem »guten Kompromiss«. In dem Ende November in Erfurt vorgestellten Koalitionsvertrag steht unter anderem, dass man die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen »und deren Verwendung ohne deutsche Mitsprache« »kritisch« sehe. Die Verhandlungen waren vor allem wegen Diskussionen zu friedenspolitischen Formulierungen ins Stocken geraten. Mit der Regierungsbeteiligung werde unter anderem bezweckt, den weiteren Aufstieg der von Björn Höcke geführten AfD zu verhindern, erklärte Wagenknecht. Die Regierung müsse eine so gute Politik machen, »dass viele von denen, die bei der letzten Wahl noch Herrn Höcke und die AfD gewählt haben, merken: Es braucht keine Partei mit Rechtsextremisten.«
Das Bündnis käme im Thüringer Landtag auf 44 der insgesamt 88 Sitze und hätte damit keine Mehrheit. Am Donnerstag will sich Thüringens CDU-Chef Mario Voigt zum neuen Ministerpräsidenten wählen lassen. Die Wahl des Ministerpräsidenten könnte allerdings zum Problem werden. Für diese ist in Thüringen in den ersten beiden Wahlgängen eine absolute Mehrheit (45 Stimmen) notwendig. Im dritten Wahlgang würde allerdings auch eine relative Mehrheit der Koalitionsfraktionen genügen.
Die drei »Brombeer«-Parteien hoffen aktuell auf Unterstützung der Linkspartei. Eine von der Linken geforderte Vereinbarung zur Zusammenarbeit lehnt die CDU derzeit ab. Es scheint auch möglich, dass AfD-Stimmen für Voigt den Ausschlag geben könnten. Der Fraktionsvorsitzende Björn Höcke ließ bisher offen, wie seine Fraktion abstimmen wird. Einerseits sei es »naheliegend, dass Voigt einen Konkurrenten bekommt« – zum Beispiel von der AfD – sagte er vergangene Woche. Man habe aber auch überlegt, »dass man ihn einfach tun lassen sollte«.
Parteichefin Wagenknecht sieht in einer möglichen Wahl Voigts zum Präsidenten mit AfD-Stimmen kein Problem. »Wenn sie ihn wählen wollen, sollen sie ihn wählen«, erklärte sie in Ilmenau. Man könne nicht »der AfD die Entscheidung darüber geben, ob jemand Ministerpräsident wird. Die Macht an Herrn Höcke auszuliefern, das wäre doch völlig verrückt.«
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Kaiser warnte indessen vor einer Wahl Voigts mit AfD-Stimmen. Man sei daran interessiert, dass die Koalition ohne AfD-Stimmen funktioniert, erklärte Kaiser der dpa. »Das ist es ja auch, was man miteinander vereinbart hat.« Alles andere stelle »natürlich die Koalition infrage, insofern gehe ich davon aus, dass man alles dafür tut, Mehrheiten ohne die AfD sicherzustellen.« Im Februar 2020 hatte sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen lassen. Dies führte zu einer Regierungskrise, Kemmerich trat drei Tage später zurück. In Brandenburg soll Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch zum Ministerpräsidenten gewählt werden.
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