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Aus: Ausgabe vom 09.12.2024, Seite 6 / Ausland
Südkorea

In Seoul wollte man Krieg

Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Yoon scheitert vorerst, Tausende demonstrieren weiter. Verteidigungsminister festgenommen
Von Martin Weiser
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»Präsident Yoon ist ungeeignet für das Amt!«: Protestteilnehmer am Sonntag in Seoul

Putschpräsident Yoon Suk Yeol ist weiter im Amt: Am Sonnabend ist ein Antrag der Opposition auf Amtsenthebung wegen illegaler Ausrufung des Kriegsrechts am vergangenen Dienstag gescheitert. Die Regierungspartei People Power Party (PPP) boykottierte die Abstimmung im südkoreanischen Parlament und erlaubte ihren Abgeordneten nicht, nach freiem Gewissen für die Absetzung zu stimmen. Dabei fehlten der Opposition wahrscheinlich nur sechs Stimmen für die benötigte Zweidrittelmehrheit. Bis auf den IT-Multimillionär Ahn Cheol Soo verließ die PPP-Fraktion geschlossen den Sitzungssaal, zwei Abgeordnete trauten sich dann später noch zurückzukehren. PPP-Chef Han Dong Hoon zufolge suche die Partei gemeinsam mit Yoon nach einem Weg für einen »geordneten Abgang«. Yoon habe diesem Plan faktisch zugestimmt. Bis zu seinem Weggang werde er keine Aufgaben wahrnehmen.

Die Opposition hat bereits beschlossen, nun jeden Sonnabend über die Absetzung abzustimmen. Trotz eisiger Temperaturen demonstrierten am Wochenende fast 200.000 Menschen vor dem Parlament für die Absetzung. Die Gewerkschaften hatten schon am Mittwoch zu einem unbefristeten Generalstreik aufgerufen.

Nachdem am Sonnabend pikante Details über den bereits am Mittwoch zurückgetretenen Verteidigungsminister Kim Yong Hyun die Runde machten – was nichts an der Blockadehaltung der Regierungspartei änderte – wurde dieser Sonntag früh festgenommen. Ein anonymer hoher Militärvertreter soll dem TV-Sender MBC verraten haben, dass der Verteidigungsminister in der Woche vor dem Putschversuch befohlen hatte, Nordkorea anzugreifen. Ziel hätten demnach die Orte sein sollen, von denen aus Nordkorea Heliumluftballons in den Süden schickt. Den Berichten zufolge hatte sich jedoch der Vorsitzende des Generalstabs geweigert, den Angriffsbefehl des Ministers auszuführen.

Bestätigt wurden die Angriffspläne bisher nicht. Wie die Agentur Yonhap berichtete, soll jedoch eine Razzia in Kims Büro wegen des Verdachts auf Landesverrat stattgefunden haben. Drei Oppositionsparteien erstatteten bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Yoon, Kim und den Befehlshaber des Kriegsrechts, Park An Su, wegen Anzettelung eines Aufstandes. Im Falle einer Verurteilung wird das Verbrechen mit der Todesstrafe oder lebenslanger Haft geahndet. Auch der Innenminister trat am Sonntag zurück.

Die Demokratische Partei wirft Kim Yong Hyun vor, bereits ab Anfang Oktober versucht zu haben, einen militärischen Konflikt mit Nordkorea zu provozieren, um eine Ausrede für die Ausrufung des Kriegsrechts zu erhalten. So hatte Pjöngjang in jenem Monat drei südkoreanische Drohenflüge über der Hauptstadt gemeldet, deren Ziel gewesen sei, Flugblätter gegen Kim Jong Un abzuwerfen. Es hatte auch mit ernsten Konsequenzen gedroht, sollte noch einmal eine Drohne gesichtet werden. Eine weitere Reaktion blieb jedoch aus. Statt dessen folgte der Norden dem Prinzip, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und schickt seitdem nicht mehr Müll, sondern Flugblätter gegen den südkoreanischen Präsidenten über die Grenze.

Nach der Veröffentlichung des Drohnenvorfalls durch die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) behauptete Kim erst, die südkoreanische Regierung sei nicht verantwortlich, nur um sich dann auf den Standpunkt zurückzuziehen, man könne dazu nichts sagen. Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, hatte der Verteidigungsminister die Drohnenflüge nur einen Monat nach seinem Amtsantritt selbst angeordnet. Dass seine Verhaftung erst so spät erfolgte, obwohl seit Tagen ausreichend Indizien gegen ihn vorlagen, dürfte dabei geholfen haben, weitere Beweise verschwinden zu lassen: Medienberichten zufolge hat er sein Handy verschwinden lassen.

Nordkorea hat sich bisher nicht öffentlich zu den Vorfällen in Südkorea geäußert. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums betonte jedoch, dass die DVRK angesichts der Erkenntnisse der vergangenen Tage allen Grund habe, aufzurüsten. Schließlich verhalte sich der Süden unvorhersehbar.

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