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Aus: Ausgabe vom 09.12.2024, Seite 8 / Ansichten

Empfindliche Niederlage

Assads Sturz und die Folgen
Von Jörg Kronauer
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Keine Frage: Die Folgen des Umsturzes in Syrien reichen für die äußeren Mächte, die um Einfluss im Nahen und im Mittleren Osten kämpfen, ziemlich weit – vor allem für diejenigen, die in den vergangenen Jahren in Syrien eine äußerst starke Stellung innehatten und sie mit dem Sturz von Baschar al Assad nun verlieren. Das sind Russland und Iran.

Für Russland ist Assads Sturz eine schwere Niederlage, vergleichbar vielleicht mit der Niederlage der Vereinigten Staaten in Afghanistan. Moskau hatte, seit es 2015 an Assads Seite in den Krieg in Syrien intervenierte, eine starke Machtposition in dem Land aufgebaut. Es besaß maßgeblichen Einfluss in Damaskus; ohne Russland ging in Syrien nichts, und in Kooperation mit der Türkei war es gelungen, die westlichen Mächte weitgehend aus dem Land zu verdrängen. Die EU-Staaten spielten machtpolitisch keine wirkliche Rolle mehr, und die USA waren auf ein – wenn auch durchaus rohstoffreiches – Gebiet in Syriens Nordosten abgedrängt. Russland konnte seinen traditionellen, bereits in den 1970er Jahren errichteten Marinestützpunkt in Tartus behalten und darüber hinaus in Hmeimim nicht weit von Assads an der Küste gelegener Hochburg Latakia eine Luftwaffenbasis aufbauen. Damit war es militärisch im Nahen Osten präsent.

Vor allem der Marinestützpunkt Tartus hat für Moskau weitreichende Bedeutung: Der Hafen, seine einzige Flottenbasis im Mittelmeer, spielt für seine Machtentfaltung jenseits des Schwarzen Meeres eine zentrale Rolle. Muss er nach Assads Sturz aufgegeben werden, wäre das für Moskau ein harter Schlag. Schmerzhaft ist schon jetzt, dass Russlands Einfluss in Damaskus wohl verloren ist. Und: Assads Sturz hat klargestellt, dass russische Unterstützung keine ultimative Garantie für den Machterhalt ist. Das wird zur Zeit von den westlichen Mächten laut herumposaunt, nicht zuletzt mit Blick auf den Sahel. Allerdings wird sich dort auch kaum jemand die Illusion gemacht haben, er könne sich, sobald er das russische Afrikakorps ins Land geholt habe, bequem zurücklehnen.

Ebenfalls schwer wiegt der Umsturz in Damaskus für Iran. Teheran hatte Assad auch deshalb unterstützt, weil es sich dadurch Einfluss und – vermittelt über allerlei proiranische Milizen, nicht zuletzt die Hisbollah – eine gewisse militärische Präsenz in Syrien sichern konnte. Das wiederum war von immensem Vorteil bei seinen Bemühungen, die Hisbollah aufzurüsten: Weil im Irak nach Saddam Husseins Sturz proiranische schiitische Kräfte starken Einfluss erlangt hatten, stand über irakisches und syrisches Territorium der Landweg in den Libanon offen. Damit ist nun wohl Schluss.

Für Russland wird alles davon abhängen, ob es in den Verhandlungen zur Übertragung der Regierungsgewalt an die Dschihadisten zumindest Stützpunktrechte für Tartus aushandeln kann. Gelingt das nicht, müsste es nach einem alternativen Standort für eine Marinebasis suchen – oder einen empfindlichen Machtverlust akzeptieren.

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  • Leserbrief von Klaus Ludwig aus Bosserode (10. Dezember 2024 um 10:14 Uhr)
    Ich denke, es sind zwei vollkommen unterschiedliche Konzepte und somit auch Konsequenzen. Ja, Russland hatte in Syrien eigene Pläne und Interessen, im Vordergrund: geostrategische, militärische. Diese Niederlage ist offensichtlich und nicht zu heilen. Dass man es in Moskau dazu kommen ließ, hat wohl mit einer absoluten Fehleinschätzung der Türkei zu tun. Die Türkei ist ein Feind Russlands, der Traum, sie innerhalb der NATO als »Partner« aufbauen zu können, ist naiv. Komödie um die ukrainischen Faschisten aus »Asow«, schäbiger Verrat an Armenien, als man Erdoğan Bergkarabach opferte und jetzt die Schlappe, ausgerechnet der Türkei zu vertrauen, die die Taktik der USA bestens durchschaut hatten und nachdem Israel syrische Armee und Hisbollah verteidigungsunfähig gebombt hatten die zuvor trainierten Terroristen ermunterten, nach Damaskus vorzudringen. Das gefällt Erdoğan und ist den Israelis egal. Die haben den USA den Gefallen getan, aus dem 7. Oktober 23 für sich eine Chance zu erkennen, bis Teheran vorzustoßen, wenn, ja, wenn sich der Iran irgendwie einen Krieg locken lässt.
    Und da liegt der Unterschied zu Russland. Der Iran hat nicht und nichts verloren. Seit einigen wenigen Jahren verfolgt Iran eher eine Perspektive an der Seite Beijings, der »Seidenstraße« und im BRICS. Ob sie wissen, dass sie militärisch keine Chance haben oder aus purer Vernunft lieber den Ausgleich mit Riad suchen, weil das Land aus der Umklammerung der US-Sanktionen nicht herauskommt, es sei denn, es kann sie umgehen, denn die Regierung will den wirtschaftlichen Sackgassen entgehen und nach den Erfahrungen Beijings international Religion wie Ideologie diesen Zielen unterwerfen. Klug hat man abgewogen, ob ein militärischer Einsatz, sei es zugunsten der Hamas oder der Hisbollah, selbst zum Stützen Assads, mehr bringt als die Chancen, die im Handel liegen und die für die Region das Ende der Todfeindschaft mit den Saudis bedingen. Nur so konnten sie sich auch vor der Vernichtung bewahren, denn darauf war und sind die USA erpicht. Nach Russland auch den Iran in einen heißen Krieg locken, den im konkreten Fall Israel ausgefochten und ganz sicher gewonnen hätte. Nein, der Iran hat sich selbst gewählt und ist deshalb in der Cuasa Syrien kein Verlierer.
  • Leserbrief von Paul Vesper aus 52062 Aachen (9. Dezember 2024 um 12:21 Uhr)
    Lieber Jörg Kronauer, zu schnell, eventuell zu vorschnell, analysiert! Man muss abwarten. Dem Vernehmen nach hat sich die Russische Föderation in einem Agreement mit den Islamisten die Weiterbetreibung ihrer Stützpunkte gesichert. Man wird sehen. Wie alles, ist der Prozess auch hier dialektisch zu sehen. Der rapide Zusammenbruch des syrischen Staates hat gezeigt, dass er ohne massive militärische Unterstützung nicht überlebensfähig war. Einerseits hat die RF an Einfluss in der Region verloren, ist aber die Last einer Bündnisverpflichtung los. Ob Israel profitieren kann, kann jetzt noch nicht beurteilt werden. Der Iran verliert eine Unterstützunglinie zur Hisbollah. Die Kurden könnten freie Hand haben gegen die Türkei. Und wir? Die jubelnden Syrer haben gezeigt, dass jetzt ihr Grund für Asyl hier bei uns weggefallen sein könnte. Der verhasste Al Assad ist weg. Es fragt sich jetzt, welchen Grund es jetzt noch gibt, dass sie hier bleiben. Wie schon gesagt: Wir werden sehen. Paul Vesper
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. Dezember 2024 um 20:44 Uhr)
    Es mag zwar überraschend erscheinen, wie schnell die mit Maschinengewehren bestückten PKWs ausgestatteten Milizen bis nach Damaskus vorrücken konnten, doch die eigentliche Blamage trifft weniger Russland als vielmehr die Assad-Familie, die seit mehr als fünfzig Jahren das Land beherrscht. Wenn jemand genau über die Lage in Syrien Bescheid wusste, dann war es Russland. Für den Kreml geht es jedoch nicht primär um die Assad-Familie, sondern um die Absicherung seiner strategisch wichtigen Stützpunkte an der Mittelmeerküste. Solange Moskau diese behalten kann, ist es relativ gleichgültig, welche politischen Entwicklungen in Syrien stattfinden. Sollte Russland diese Stützpunkte allerdings verlieren, würde dies ein ernsthaftes Problem darstellen – und zwar nicht nur für Russland allein.

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