Empfindliche Niederlage
Von Jörg KronauerKeine Frage: Die Folgen des Umsturzes in Syrien reichen für die äußeren Mächte, die um Einfluss im Nahen und im Mittleren Osten kämpfen, ziemlich weit – vor allem für diejenigen, die in den vergangenen Jahren in Syrien eine äußerst starke Stellung innehatten und sie mit dem Sturz von Baschar al Assad nun verlieren. Das sind Russland und Iran.
Für Russland ist Assads Sturz eine schwere Niederlage, vergleichbar vielleicht mit der Niederlage der Vereinigten Staaten in Afghanistan. Moskau hatte, seit es 2015 an Assads Seite in den Krieg in Syrien intervenierte, eine starke Machtposition in dem Land aufgebaut. Es besaß maßgeblichen Einfluss in Damaskus; ohne Russland ging in Syrien nichts, und in Kooperation mit der Türkei war es gelungen, die westlichen Mächte weitgehend aus dem Land zu verdrängen. Die EU-Staaten spielten machtpolitisch keine wirkliche Rolle mehr, und die USA waren auf ein – wenn auch durchaus rohstoffreiches – Gebiet in Syriens Nordosten abgedrängt. Russland konnte seinen traditionellen, bereits in den 1970er Jahren errichteten Marinestützpunkt in Tartus behalten und darüber hinaus in Hmeimim nicht weit von Assads an der Küste gelegener Hochburg Latakia eine Luftwaffenbasis aufbauen. Damit war es militärisch im Nahen Osten präsent.
Vor allem der Marinestützpunkt Tartus hat für Moskau weitreichende Bedeutung: Der Hafen, seine einzige Flottenbasis im Mittelmeer, spielt für seine Machtentfaltung jenseits des Schwarzen Meeres eine zentrale Rolle. Muss er nach Assads Sturz aufgegeben werden, wäre das für Moskau ein harter Schlag. Schmerzhaft ist schon jetzt, dass Russlands Einfluss in Damaskus wohl verloren ist. Und: Assads Sturz hat klargestellt, dass russische Unterstützung keine ultimative Garantie für den Machterhalt ist. Das wird zur Zeit von den westlichen Mächten laut herumposaunt, nicht zuletzt mit Blick auf den Sahel. Allerdings wird sich dort auch kaum jemand die Illusion gemacht haben, er könne sich, sobald er das russische Afrikakorps ins Land geholt habe, bequem zurücklehnen.
Ebenfalls schwer wiegt der Umsturz in Damaskus für Iran. Teheran hatte Assad auch deshalb unterstützt, weil es sich dadurch Einfluss und – vermittelt über allerlei proiranische Milizen, nicht zuletzt die Hisbollah – eine gewisse militärische Präsenz in Syrien sichern konnte. Das wiederum war von immensem Vorteil bei seinen Bemühungen, die Hisbollah aufzurüsten: Weil im Irak nach Saddam Husseins Sturz proiranische schiitische Kräfte starken Einfluss erlangt hatten, stand über irakisches und syrisches Territorium der Landweg in den Libanon offen. Damit ist nun wohl Schluss.
Für Russland wird alles davon abhängen, ob es in den Verhandlungen zur Übertragung der Regierungsgewalt an die Dschihadisten zumindest Stützpunktrechte für Tartus aushandeln kann. Gelingt das nicht, müsste es nach einem alternativen Standort für eine Marinebasis suchen – oder einen empfindlichen Machtverlust akzeptieren.
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Und da liegt der Unterschied zu Russland. Der Iran hat nicht und nichts verloren. Seit einigen wenigen Jahren verfolgt Iran eher eine Perspektive an der Seite Beijings, der »Seidenstraße« und im BRICS. Ob sie wissen, dass sie militärisch keine Chance haben oder aus purer Vernunft lieber den Ausgleich mit Riad suchen, weil das Land aus der Umklammerung der US-Sanktionen nicht herauskommt, es sei denn, es kann sie umgehen, denn die Regierung will den wirtschaftlichen Sackgassen entgehen und nach den Erfahrungen Beijings international Religion wie Ideologie diesen Zielen unterwerfen. Klug hat man abgewogen, ob ein militärischer Einsatz, sei es zugunsten der Hamas oder der Hisbollah, selbst zum Stützen Assads, mehr bringt als die Chancen, die im Handel liegen und die für die Region das Ende der Todfeindschaft mit den Saudis bedingen. Nur so konnten sie sich auch vor der Vernichtung bewahren, denn darauf war und sind die USA erpicht. Nach Russland auch den Iran in einen heißen Krieg locken, den im konkreten Fall Israel ausgefochten und ganz sicher gewonnen hätte. Nein, der Iran hat sich selbst gewählt und ist deshalb in der Cuasa Syrien kein Verlierer.