Gegründet 1947 Freitag, 17. Januar 2025, Nr. 14
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 09.12.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Habeck in Nairobi

Wenig Interesse an BRD-Kapital

Wirtschaftsgipfel in Kenia: Deutsche Konzerne suchen Rohstoffe, Fachkräfte und Energieträger. Die Gastgeber suchen Investoren
Von Christian Selz, Kapstadt
9.jpg
Macht nirgends eine gute Figur: Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Nairobi, 3.12.2024)

Ein gewisser »Dr. Robert Herbek« sei nach Nairobi gekommen, um den Kenianern zu erklären, dass deutsche Firmen für Investitionen Sicherheit und Stabilität benötigen. Der staatlichen Nachrichtenagentur Kenya News Agency war am vergangenen Mittwoch ein Tippfehler unterlaufen. Man kann darin aber ein Spiegelbild der Bedeutung der BRD als ökonomischer Partner Kenias sehen. Gemeint war der »grüne« Wirtschaftsminister Robert Habeck, der das alte Lied vom Chancenkontinent pfiff, dem es nur an etwas Rechtsstaatlichkeit fehle, um deutsche Investoren zu überzeugen. Er mag recht haben. Nur, sein Problem liegt anderswo: Dritte sind längst da, und vermisst werden die Deutschen nicht, weil die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen auseinanderklaffen.

Der Deutsch-Afrikanische Wirtschaftsgipfel findet alle zwei Jahre statt. Organisiert wird die Veranstaltung von der Subsahara-Afrika-Initiative der Deutschen Wirtschaft, die wiederum getragen wird vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag, dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen und dem Afrikaverein der deutschen Wirtschaft. Finanziert wird die Initiative von deutschen Konzernen und von der staatlichen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, also auch mit Entwicklungsförderungsgeld. Es handelt sich offensichtlich um eine deutsche Initiative, nicht um ein gemeinsames Projekt mit afrikanischen Ländern. Auf der Internetseite des BDI heißt es: »Erklärtes Ziel ist es, die Wahrnehmung Afrikas als Chancenkontinent für die deutsche Wirtschaft zu stärken.«

Dementsprechend bestimmen deutsche Interessen das Programm. In Kenia ging es vor allem um drei Themen: Energie, Fachkräfte und Rohstoffe. Letzteres sah insbesondere Habeck durch eine geopolitische Linse. Die BRD müsse »Handelsbeziehungen diversifizieren«, um nicht »wirtschaftspolitisch und machtpolitisch unter den Einfluss anderer Länder zu geraten«. Kenia kann es genau wie anderen Staaten Afrikas aber vollkommen egal sein, unter welchem Einfluss sich die Bundesregierung wähnt. Ihnen nützt das Wettrennen westlicher Industrienationen mit Volkswirtschaften wie China, Russland oder Indien, um bestmögliche Konditionen auszuhandeln.

Auch demographischer Wandel oder Pflegenotstand in der BRD sind keine Themen, die Kenianer umtreiben. Fachkräfte abzugeben, gehört aber sicher nicht zu ihren Kernzielen. Dennoch wird mit Kritik am sogenannten Braindrain keine Wahl gewonnen, eher mit Möglichkeiten für arbeits- und perspektivlose Jugendliche. Darum ist hier am ehesten Kooperationswille seitens afrikanischer Regierungen erkennbar, auch wenn die Praxis auf volkswirtschaftlicher Ebene ausbeuterisch bleibt und die Länder des Südens zurückwirft. Abwerbende Staaten müssten auch in die Ausbildung vor Ort investieren. Möglichst unreguliertes Wildern ist für die Unternehmen im Norden aber billiger.

Noch weiter gehen die Interessen in puncto Energie auseinander. Afrikanische Volkswirtschaften wollen nicht länger nur Rohstofflieferanten sein, sondern die eigene Industrialisierung vorantreiben. Dazu benötigen sie Strom. Im Falle Kenias kommt der aktuell zu etwa 90 Prozent aus Geothermie, ist also grün. Die BRD will grünen Wasserstoff. Ein Wettbewerb um die Energieträger des Landes, der die Preise für die eigene Industrie nach oben treiben würde, liefe kenianischen Interessen zuwider. Kenia will lieber Investoren, die im eigenen Land verarbeitendes Gewerbe ansiedeln. Die kommen eher nicht aus der BRD. Sie belegt, gemessen an Investitionen in Subsahara-Afrika, nur noch Rang neun. Entsprechend fand der Gipfel in Nairobi auf dem restlichen Kontinent auch kaum medialen Widerhall. Von der Bekanntheit des Wirtschaftsministers ganz zu schweigen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit

Alle redaktionellen Beiträge zur RLK25 sind nun hier verfügbar