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Aus: Ausgabe vom 09.12.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Internationale Wirtschaftsbeziehung

Mercosur für Agrarmultis

Kleinbauernbewegung »Via Campesina« kritisiert Abkommen zwischen EU und Südamerika
Von Thomas Walter
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Bäuerliche Massenmobilisierung mit Treckerkolonnen in der Hauptstadt der EU-Administration (Brüssel, 26.3.2024)

Die Tinte unter dem sogenannten Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur ist seit Freitag trocken. Aber nicht nur europäische Landwirte fürchten Billigimporte sowie schlechte ökologische und soziale Standards bei Agrarprodukten aus Südamerika. Auch südamerikanische Kleinbauern protestieren. Sie argwöhnen, dass das Abkommen nur Agrarmultis mit ihren Monokulturen zugute kommen wird, kleine Produzenten hingegen noch stärker vom Land verdrängt werden.

»Via Campesina«, die größte Organisation von Kleinbauern weltweit mit 180 angeschlossenen Organisationen, die insgesamt 200 Millionen Klein- und Subsistenzbauern repräsentieren, kritisierte kürzlich, dass der Vertrag lediglich die konzentrierten und transnationalen Sektoren der Landwirtschaft begünstige. Mit Abschluss und Umsetzung des Abkommens würde »die Zerstörung von bäuerlichen Versorgungssystemen, die derzeit die Bevölkerung mit Nahrungsmittel versorgen« folgen. Profiteure wären das Finanzkapital und die Transnationalen, also die Hauptverantwortlichen für Armut, Klima- und Ernährungskrise.

Konkret: Die Merkantilisierung des Landes, des Wassers und der Samen führe zur Verarmung der Landbevölkerung. Denn die Unternehmen, »die zunehmend die Kontrolle über die Versorgung mit Nahrungsmittel übernehmen, können nur konkurrenzfähig sein, weil sie stark von öffentlichem Geld subventioniert werden und weil sie die sanitären, umweltlichen und sozialen Kosten ihrer industriellen Produktionsweise nicht tragen müssen«, kritisiert »Via Campesina«.

Dabei sieht die »United Nations Declaration on the Rights of Peasants and Other People Working in Rural Area« von 2018 vor, dass »Bauern und andere Menschen, die in ländlichen Gebieten arbeiten, das Recht haben, ihre eigenen Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme zu bestimmen«. Dazu gehöre ferner das Recht auf gesunde und angemessene Lebensmittel, hergestellt mit ökologisch verträglichen und nachhaltigen Methoden, die ihrer Kultur gerecht würden.

Neben sozialen Folgen wie mehr Verarmung und Menschenrechtsverletzungen in den Staaten des Mercosur erwarten die Bauernaktivisten weitere Umweltprobleme. Schon die von der EU in Auftrag gegebene Nachhaltigkeitsstudie sieht einen erhöhten globalen Ausstoß von Methan und Lachgas infolge des Freihandelsabkommens voraus, etwa eine erhöhte Kohlendioxidproduktion in Argentinien, Brasilien und der EU. Und Greenpeace geht davon aus, dass allein aufgrund des höheren Exports von Rindfleisch die »Entwaldungsrate« steigt und mehr als eine Million Hektar Waldfläche binnen weniger Jahre abgeholzt werden dürften.

Eine Frage bleibt: Warum unterzeichnen EU und Mercosur-Staaten ausgerechnet jetzt ein Freihandelsabkommen? In einer Phase, in der sich die vier Jahrzehnte andauernde Ära des Neoliberalismus mit seiner Doktrin des »freien Handels« dem Ende zuneigt und einer neuen Phase des Protektionismus weicht, in der sich die kriselnden nationalen Wirtschaften durch Abschottung und neokeynesianische Konzepte aus dem Sumpf zu ziehen versuchen. Ultraliberalen wie dem argentinischen Rechtsaußenpräsidenten Javier Milei mag das zum ideologischen Programm passen. Aber wie lange besonders Brasilien und agrarisch geprägte EU-Länder das umsetzen werden, bevor auch sie sich dem Trend der »Deglobalisierung« und dem Schutz der eigenen Märkte anschließen, sei dahingestellt.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (8. Dezember 2024 um 23:43 Uhr)
    Warum eine philosophische Warum-Frage? Eine materialistisch motivierte Frage könnte lauten: Wie kam die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens jetzt zustande? Für »die« EU wäre dann zu bemerken, dass sie der Schutz der eigenen Märkte nur im Bereich der Industrie interessiert. Wenn Lebensmittel billig importiert werden können, dürfen kleine Höfe draufgehen und stärker agrarisch strukturierte europäische Staaten draufzahlen: Die Kosten für ArbeitskraftverkäuerInnen und damit deren Wert sinken ja, das ist des Pudels Kern. Wäre noch zu fragen, wie die stärker agrarisch strukturierten EU-Staaten sich hätten durchsetzen können.

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