Das willst du nicht
Von Andreas Müller![imago783457938.jpg](/img/450/202996.jpg)
Die Überstunden türmen sich, über 90 Prozent der Trainerinnen und Trainer auf Bundesebene arbeiten länger als offiziell erlaubt. Sie überziehen ihre Arbeitszeitkonten regelmäßig um ganze 50 Prozent, bekennen 15,5 Prozent des befragten Personals. Eine Mehrarbeit von über 25 Prozent geben 38 Prozent zu Protokoll und immerhin noch ein Fünftel liegt bei der Arbeitszeit mehr als zehn Prozent »über Normal«. Finanziell vergütet werden diese Überstunden nicht. Ein Viertel des befragten Personenkreises gibt an, zumindest »Freizeitausgleich« zu bekommen.
Das Ergebnis der Mitte des Jahres veröffentlichten Umfrage des Berufsverbandes der Trainer/innen im deutschen Sport (BVTDS) macht deutlich, wie es um den Trainerberuf hierzulande bestellt ist. Es ist die erste Erhebung ihrer Art. Sie zeigt Beunruhigendes: Die Überstunden korrelieren mit anderen ungesunden Faktoren. So bekannten mehr als 20 Prozent der Bundestrainer, dass ihr Beruf mit Familienleben und Freizeit »nur sehr schwer zu vereinbaren« sei, über 27 Prozent gelingt dies »weniger gut« und 35 Prozent nur »teilweise«. Entsprechend wird jüngeren Kollegen nur unter Vorbehalt geraten, eine Trainerlaufbahn einzuschlagen. Mehr als die Hälfte der Befragten votierte vorsichtig, nur »vielleicht« würden sie eine solche Berufskarriere empfehlen. Jeder Fünfte meinte, andere sollten eine solche Laufbahn lieber nicht einschlagen.
An der Befragung auf Bundesebene haben insgesamt 166 Personen teilgenommen, 146 Männer sowie 20 Frauen, etwa ein Drittel davon Cheftrainer in ihren Verbänden oder Bundesdisziplintrainer, rund ein Viertel ist Bundestrainer im Nachwuchsbereich. Tendenziell ähnliche Ergebnisse förderte eine parallel dazu durchgeführte Umfrage unter 28 Trainerinnen und 126 Trainern zutage, die auf Landesebene tätig sind. Von ihnen raten sogar knapp 28 Prozent, unbedingt die Hände von einem solchen Job zu lassen. Bei den Einkommen gibt es deutliche Unterschiede: Für Bundestrainer weist die Studie einen durchschnittlichen Jahresbruttoverdienst von etwa 51.000 Euro aus, für Landestrainer 36.000 Euro.
Beides sei angesichts des zeitlichen Aufwandes »deutlich zu wenig«, nach internationalen Maßstäben »lächerlich«, hatte BVTDS-Präsident Holger Hasse bereits im Juni gegenüber jW erklärt und endlich einen Tariflohn für die Berufsgruppe angemahnt: »Ohne faire Bezahlung droht dem Spitzensport der Kollaps.« Noch immer fehle für die Trainer ein bundesweiter und einheitlicher Tarif. Sogar im organisierten Sport, ob es nun die Verbände sind, die Landessportbünde, die Institute und sonstigen Einrichtungen, »überall wird da von der Sekretärin oder vom Buchhalter bis zu den Referenten und anderen Mitarbeitern nach Tarif entlohnt«, berichtete Hasse. »Für jede Position in der riesigen Organisation des Sports gibt’s einen Tariflohn, nur für die Trainer nicht. Das ist völlig inakzeptabel und nicht länger hinnehmbar.«
Besonders pikant: Wirtschaftsprüfer hatten im Vorfeld der Vollversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am 7. Dezember konstatiert, dass sich im Laufe dieses Jahres in der Sportzentrale die Bezüge für 47 Beschäftigte um 5,5 Prozent erhöht hätten. Für 2025 wird eine Lohnerhöhung auch für die anderen 130 Beschäftigten erwartet. 2023 betrugen die Personalausgaben insgesamt circa 9,95 Millionen Euro, in diesem Jahr stiegen sie auf 11,05 Millionen Euro. Im nächsten sollen sie um 350.000 Euro auf dann 11,4 Millionen Euro klettern. Die Steigerung ist nötig, weil das Personal in der DOSB-Zentrale nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD) bezahlt wird.
Davon können die mehrheitlich »freischwebenden« Trainer nur träumen. Die rund 800 bis 900 Bundestrainer sowie die etwa 4.000 bis 5.000 Trainerinnen und Trainer an den verschiedensten Stellen im bundes- und landesweiten Leistungssportsystem müssen weiter auf Verbesserungen warten. Das neue, seit etwa zwei Jahren beratene und mit dem Aus der Ampelregierung auf Eis liegende »Sportfördergesetz« brachte für die Trainerzunft nie den erhofften Durchbruch. Ganz im Gegenteil habe das für Spitzensport verantwortliche Bundesinnenministerium (BMI) nach Darstellung des BVTDS dessen Interessen ignoriert und inzwischen die seltsame juristische Position eingenommen, diese Berufe im Spitzensport funktionierten »nicht nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Gesetzen und Vorschriften«.
Was im Umkehrschluss wohl bedeuten soll, dass Verstöße gegen das Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetz oder gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz, wie sie die jüngste BVTDS-Befragung erstmals in ihrem ganzen Ausmaß sichtbar machte, aus BMI-Perspektive unbedenklich sind. Eine Auffassung von Recht und Gesetz, die »erstaunlich« sei, schrieben die beiden BVTDS-Präsidenten Holger Hasse und Gert Zender in einer Erklärung am 6. November dem »Noch-BMI« unter SPD-Ministerin Nancy Faeser ins Stammbuch. Und weiter: »Im Rahmen der aktuellen Spitzensportreform und der sogenannten Verbändebeteiligung zum Entwurf des Sportfördergesetzes hat das BMI die Position bezogen, dass Trainer nicht auf der Grundlage arbeitsrechtlicher Gesetze und Vorschriften arbeiteten, sondern spezielle Regelungen in ihren Verträgen hätten. Seit wann können vertragliche Regelungen Gesetze aushebeln? Diese Art von Ignoranz gegenüber rechtlichen Vorschriften ist unerträglich. (…) Mit den von uns vorgebrachten Argumenten und Vorschlägen hat sich das BMI noch nicht einmal befasst.«
Das wird bis zu den Neuwahlen am 23. Februar auch nicht mehr passieren.
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