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Aus: Ausgabe vom 12.12.2024, Seite 7 / Ausland
Haiti

Massaker in Armenviertel

Haiti: Einsatzkräfte der Lage nicht gewachsen, Übergangsregierung handlungsunfähig
Von Volker Hermsdorf
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Mit allem Hab und Gut auf der Flucht: Nach Explosion der Gewalt in der Vorstadt Poste Marchand (Port-au-Prince, 9.12.2024)

Für die Menschen in Haiti ist jeder Tag ein Alptraum. Die Bevölkerung leidet zunehmend unter den Angriffen durch sogenannte Gangs. Auch die nationale Polizei und die von kenianischen Soldaten angeführte »multinationale Sicherheitsunterstützungsmission« (Mission Multinationale d’Appui à la Sécurité en Haïti, MMS) üben Gewalt aus. Nachdem Polizisten im vergangenen Monat Krankentransporte angegriffen, Patienten getötet und Helfer mit Vergewaltigung und dem Tod bedroht hatten, stellte die Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen« ihre Arbeit im Land ein. Am Wochenende ermordeten dann Mitglieder der Bande »Micanor Altés« mehr als 180 meist ältere Menschen im Armenviertel Cité Soleil, einem Vorort der Hauptstadt Port-au-Prince. Angesichts der Eskalation kündigte die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, als derzeitige Vorsitzende der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten in der vergangenen Woche ein außerordentliches Treffen mit den Staatschefs der 33 Mitgliedsländer an. Die Krise in Haiti erfordere »dringende Reaktionen«, so Castro.

Trotz der von UNO und den USA unterstützten MMS, deren Misserfolg haitianische Oppositionelle vorausgesagt hatten, sei die Zahl der Getöteten in Haiti in diesem Jahr auf die »enorme Zahl« von 5.000 gestiegen, erklärte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCHR), Volker Türk, am Montag auf einer Pressekonferenz in Genf. Die »Gangs« kontrollieren nach seinen Angaben inzwischen 80 Prozent der Hauptstadt. Mehr als 700.000 Menschen seien aus Angst vor der Gewalt aus ihren Häusern oder Wohnungen geflohen. Da es sich es sich beim MMS-Einsatz nicht »um eine friedenserhaltende Maßnahme« handele, könne sie das »Ausmaß an Gewalt und Zerstörung nicht aufhalten«, hatte das den Kirchen nahestehende Washington Office on Latin America (WOLA) bereits im Oktober gewarnt. Der Sender Telesur wies am Dienstag in einem Bericht darauf hin, dass »das Fehlen einer stabilen Regierung und die Ressourcenknappheit die Situation verschlimmert und die Bevölkerung in einen Zustand extremer Verwundbarkeit versetzt« hätten. Menschenrechtsaktivisten werfen den Regierungen der USA und der benachbarten Dominikanischen Republik vor, dass ein Großteil der Waffen, die sich im Besitz von paramilitärischen und kriminellen Gruppen befinden, von dort nach Haiti gelangt sei.

Nach Angaben örtlicher Medien soll das jüngste Massaker von Monel Felix, dem Anführer der »Micanor Altés«, angeordnet worden sein, nachdem ein Voodoopriester ihm gesagt habe, dass die schwere Erkrankung seines Sohnes durch »Hexerei der Ältesten« verursacht worden sei. Am Sonnabend war das Kind verstorben. Unter den mit Messern und Macheten regelrecht abgeschlachteten Anwohnern von Cité Soleil soll die überwiegende Mehrheit über 60 Jahre alt gewesen sein. Der Massenmord hatte in dem Stadtteil eine Panik ausgelöst. Premierminister Alix Didier Fils-Aimé, dessen von internen Machtkämpfen zerrissene Regierung faktisch handlungsunfähig ist, erklärte, dass damit »eine rote Linie überschritten« worden sei. Er werde alle Kräfte mobilisieren, »um die Verantwortlichen für die Morde aufzuspüren und zu vernichten«.

Stéphane Dujarric, der Sprecher des UN-Generalsekretärs, appellierte an die Mitgliedstaaten, der MMS die finanzielle und logistische Unterstützung zukommen zu lassen, die sie benötige, um ihre Aufgaben wahrzunehmen. Die Sicherheitslage habe sich auch deswegen verschlechtert, weil viele Länder ihre Unterstützungszusagen noch nicht erfüllt hätten. Darüber hinaus forderte Dujarric eine Beschleunigung des politischen Übergangs. Die haitianische Übergangsregierung hatte erklärt, sie wolle die seit langem geforderten Wahlen im Jahr 2025 abhalten, »sofern die Sicherheit für eine freie und faire Abstimmung« gewährleistet sei. Trotz der jüngsten Ereignisse setzt die Dominikanische Republik die Massendeportation von geflüchteten Haitianern fort. Allein im Oktober waren mehr als 27.000 Menschen zur Rückkehr ins Nachbarland gezwungen worden. Der US-freundliche Präsident Luis Abinader kündigte an, pro Woche bis zu 10.000 Haitianer abzuschieben.

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