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Aus: Ausgabe vom 12.12.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Krieg in Syrien

Brot 900 Prozent teurer

Flucht, bombardierte Häfen und geschlossene Geschäfte, Wechselkursschwankungen. Preise für Grundnahrungsmittel in Syrien rapide gestiegen
Von Gerrit Hoekman
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Hartes Tagesgeschäft, fehlende Kundschaft: Straßenhandel am Mittwoch in Aleppo

Seit dem Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad explodieren die Preise in dem Land. Das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) berichtet in seinem letzten Syrien-Report am Dienstag, dass Grundnahrungsmittel zwischen dem 27. November und dem 9. Dezember erheblich teurer geworden sind. In Aleppo und der Rebellenhochburg Idlib sei der Brotpreis um sagenhafte 900 Prozent gestiegen. In anderen Großstädten wie Damaskus, Hama und Deir Al-Zor sieht es demnach nicht anders aus.

Neben Brot sind laut OCHA im ganzen Land auch Zucker, Olivenöl und andere Nahrungsmittel knapp, was die Preise in die Höhe schnellen lässt – im landesweiten Schnitt zwischen 18 und 90 Prozent. Geflügelpreise seien innerhalb von wenigen Tagen um 119 Prozent gestiegen. »Humanitäre Hilfsgüter werden geplündert und Lagerhäuser (…) beschädigt«, berichtet OCHA. »Während lebenswichtige öffentliche Dienste allmählich wieder aufgenommen werden, behindern Bewegungseinschränkungen, darunter Ausgangssperren, den Waren- und Dienstleistungsverkehr.« Der Hafen von Latakia sei schwer beschädigt und bleibe geschlossen. Der Hafen von Tartus könne aber voraussichtlich in wenigen Tagen wieder angelaufen werden. Die Flughäfen Damaskus, Aleppo und Qamischli waren laut OCHA am Dienstag zwar noch geschlossen, seien aber funktionstüchtig.

»Extreme Wechselkursschwankungen führten außerdem zu wirtschaftlicher Instabilität und zur Schließung von Geschäften sowie zur Hortung von Rohstoffen durch die Händler«, heißt es im Bericht. Die Schwankungen hätten innerhalb kurzer Zeit 45.000 syrische Lira für einen Dollar betragen können. Umgerechnet 3,30 Euro. Obwohl sich der Kurs leicht stabilisiert habe, bleibe er volatil und beeinträchtige erheblich den Zugang zu Nahrungsmitteln, so die Vereinten Nationen. Bevor die Rebellen ihre Offensive starteten, lag der Wechselkurs bei ungefähr 15.000 Lira für einen Dollar.

Die syrische Zeitung Enab Baladi berichtete vor einer Woche, dass 50 Kilogramm Zucker inzwischen 1,1 Millionen syrische Lira kosteten, umgerechnet etwa 80 Euro – eine Verdoppelung innerhalb weniger Tage. Das Kilo Reis stieg von umgerechnet 95 Cent auf 1,47 Euro. »Auch einige Gemüsepreise haben sich verdoppelt«, berichtete Enab Baladi. Der Andrang vor den staatlichen Bäckereien habe seit den ersten Tagen nach der Eroberung Aleppos durch die Rebellen etwas nachgelassen. Insgesamt gibt es in der Millionenstadt aber nur 16 solcher Öfen und 143 private Bäckereien.

In der Hafenstadt Latakia hatten die meisten Bäckereien auch am Dienstag noch geschlossen – den dritten Tag in Folge. Offenbar fehlt es an Mehl und Strom für die Herstellung. »Viele Familien haben keinen Zugang zu diesem lebensnotwendigen Lebensmittel, und die wenigen Bäckereien, die geöffnet haben, sind überfüllt«, so Enab Baladi. Bürgerinnen und Bürger berichteten der Zeitung, sie hätten seit sieben Uhr morgens vor der Bäckerei gewartet und auch nach vier Stunden kein Brot bekommen. Früher hätten auch Händler in der Nähe der Bäckereien gestanden, die Brot zu etwas höheren Preisen anboten. Die seien jetzt verschwunden.

In Qunaitra auf dem Golan können Bauern wegen der unübersichtlichen militärischen Lage nicht auf ihre Felder, um die in dieser Jahreszeit nötige Weizensaat auszubringen. Das dürfte sich negativ auf die Ernte und damit auf die Brotproduktion im kommenden Jahr auswirken. Besonders in den Gebieten in Nordostsyrien, die unter kurdischer Kontrolle stehen, sei die Versorgung angespannt, zum Beispiel in Rakka, Tabka und im Lager Mahmudli. In Tabka benötigen mindestens 6.000 Familien dringend Nahrungsmittel. »Aufgrund der Bedrohung durch Massaker durch Dschihadisten fliehen Zivilisten weiterhin nach Rakka und Tabka. Nach unseren ersten Daten hat die Zahl der angekommenen Menschen 100.000 überschritten, die meisten davon sind Frauen und Kinder«, sagte Ahmed Ibrahim, ein Mitglied des Kurdischen Flüchtlingsrates des Roten Halbmonds in Tabka, jüngst gegenüber Voice of America.

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