Die große Wette
Von Bernhard KrebsBaseballstar Juan José Soto Pacheco hat am vergangenen Sonntag einen 15-Jahres-Vertrag über 765 Millionen US-Dollar (726 Millionen Euro) bei den New York Mets unterschrieben. Der 26jährige aus Santo Domingo in der Dominikanischen Republik hat damit den höchstdotierten Vertrag in der Geschichte der nordamerikanischen Profiliga Major League Baseball (MLB) abgeschlossen. Die ersten fünf Jahre soll Soto jeweils 51 Millionen US-Dollar erhalten. Eine vertraglich verankerte Ausstiegsklausel können die Mets nach fünf Jahren neutralisieren, indem sie pro Jahr noch mal vier Millionen drauflegen. 2039 könnte Soto dann unterm Strich 805 Millionen US-Dollar eingestrichen haben — eine Summe, die keinem anderen Mannschaftssportler jemals garantiert wurde.
Zuletzt spielte Soto für den Stadtrivalen New York Yankees, mit denen er die diesjährige Meisterschaft in der »American League« gewann und in die World Series einzog. Dort unterlag das Team aus der Bronx bekanntlich den Los Angeles Dodgers. In der Off Season war dann der zukünftige Vertrag von Soto das wichtigste Thema für die Liga. Zum Kreis der Bieter gehörten neben den beiden New Yorker Teams zunächst auch die Boston Red Sox, der aktuelle Titelträger L. A. Dodgers sowie der einzige kanadische MLB-Vertreter, die Toronto Blue Jays. Zuletzt standen sich nur noch die Klubs vom Big Apple in einem Duell gegenüber, bei dem aber Geldbündel statt Colts gezückt wurden. Am Ende hätte Mets-Klubeigner und Hedgefondsmanager Steve Cohen mit einem Vermögen von 21,3 Milliarden US-Dollar ohnehin den längeren Atem und die tieferen Taschen gehabt. Yankees-Boss Hal Steinbrenner hat mit 1,5 Milliarden US-Dollar ein vergleichsweise bescheidenes Vermögen.
Vielleicht machte beim maßlosen Wettbieten auch Sotos Manager Scott Boras den Unterschied. Boras ist berüchtigt dafür, kühne Metaphern zu gebrauchen, die nicht selten, wie Orakelsprüche, näherer Auslegung bedürfen. Zu Beginn der Off Season unkte Boras, sein Klient sei unter den »Free Agents«, die diesen Winter auf dem Markt zu haben sind, »die Mona Lisa im Museum«. Damit mag Boras eine ganz spezielle Saite in Cohens Sammlerseele zum Schwingen gebracht haben. Der hat mehr als nur einen sympathischen, aber chronisch erfolglosen Baseballklub im Stadtteil Queens zum Hobby. Nein, der Mann sammelt auch Kunst. In seiner Sammlung soll er zwar Bilder von Edvard Munch, Claude Monet, Jackson Pollock und Francis Bacon haben. Die »Mona Lisa« hängt aber bekanntlich unerreichbar weit weg im Pariser Louvre. Ob Cohen nun mit dem Soto-Deal sein 2020 beim Erwerb der Mets gegebenes Versprechen einer Meisterschaft binnen fünf Jahren mit der monetären Brechstange irgendwie noch einhalten will oder er einen wie auch immer gearteten Mangel mit Hunderten Millionen US-Dollar überkompensiert, den Fans der Mets wird es reichlich egal sein. Denn die bekommen mit Soto einen Spieler, der derzeit seinesgleichen sucht und für die Mets den Unterschied machen könnte. Ein Team, das sich schließlich nach 1969 und 1986 nichts sehnlicher als den dritten Titel wünscht und in der abgelaufenen Saison erst in der National League Champion Series gegen den späteren Titelträger ausgeschieden war.
Einer wie Soto könnte beim Projekt Titelgewinn entscheidend weiterhelfen. Der Dominikaner ist einer der geduldigsten »Slugger« der Liga. Seit seinem MLB-Debüt 2018 hat er mit einer Quote von 42,1 Prozent mindestens die erste Base erreicht. Kein anderer Offensivspieler kann das vorweisen. Bei den Walks war Soto von 2021 bis 2023 jeweils MLB-Spitze. Im Duell mit dem gegnerischen Pitcher ist Soto fast unnachahmlich. Er hat ein sehr gutes Auge und lässt Würfe außerhalb der Strikezone regelmäßig passieren, um dann zum »Soto Shuffle« anzusetzen – eine Art breitbeiniger Kurztanz, bei dem er mit seinen Schuhen durch die Batters Box rutscht und dabei den Pitcher nicht selten spöttisch anstarrt.
Soto hat die Gabe, Pitcher dazu zu zwingen, ihn in der Strikezone anzugreifen. Hat ein Pitcher den Mut dazu, wird das nicht selten mit hartem Kontakt bestraft. Der Schlagschnitt seiner MLB-Karriere liegt bei guten 28,5 Prozent. Seit 2018 hat Soto insgesamt 934 Hits erzielt, 592 Runs aufs Punktbrett geschlagen und 201 Homeruns aus den Ballparks geprügelt. Viermal wurde er bereits ins All-Star-Team gewählt. 2019, in seiner zweiten MLB-Saison, gewann er 21jährig mit den Washington Nationals völlig überraschend gegen die Houston Astros die World Series. Ein Vertragsangebot der Nationals vor zwei Jahren über 440 Millionen US-Dollar über 15 Jahre lehnte Soto, damals 23jährig, ab. Das fanden nicht wenige komplett verrückt. Die Wette aber, die Soto damals auf sich selbst und seinen Wert abschloss, die hat er jetzt gewonnen.
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