Ramelow wählt Nachfolger
Von Nico PoppAm Ende lief alles reibungslos. Mindestens 45 Stimmen musste der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt am Donnerstag im Erfurter Landtag erhalten, um gleich im ersten Wahlgang zum neuen Ministerpräsidenten gewählt zu werden – die drei Koalitionspartner können aber nur 44 liefern. 51 waren es dann schließlich. Vier Abgeordnete enthielten sich, 33 (die AfD-Fraktion hat 32 Mitglieder) stimmten gegen Voigt.
Möglich gemacht hat das eine Verständigung von CDU, BSW und SPD mit der Linkspartei, über deren Deutung und Reichweite noch gestritten wird. Dass mit Bodo Ramelow nach zehn Jahren am Donnerstag auch der erste und einzige von der Linkspartei gestellte Ministerpräsident aus dem Amt schied, sorgt hingegen kaum mehr für Debatten. Die BSW-Vorsitzende Katja Wolf lobte Ramelow am Donnerstag dafür, als »Architekt einer stabilen Landesregierung« bei der Suche nach Mehrheiten im neuen Landtag, in dem die AfD die stärkste Fraktion stellt, mitgeholfen zu haben. Voigt sagte, Ramelow habe lange »unserem Heimatland gedient« und »es durch schwierige Zeiten geführt, die nicht immer einfach waren«. Ramelow bestätigte anschließend, dass er Voigt gewählt hat. Darüber, dass einst auch von der CDU eine Kampagne losgetreten worden war, mit einem Linkspartei-Mann in der Staatskanzlei kehrten der Sozialismus und die SED nach Thüringen zurück, dürfte auch Voigt heute herzlich lachen – zumindest hinter verschlossenen Türen.
Noch gibt es nämlich einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der eine offene und formalisierte Zusammenarbeit mit der Linkspartei verbietet. Auch deshalb hatte die Thüringer Linkspartei in den vergangenen Tagen darauf bestanden, einen verbindlichen Modus der parlamentarischen Kooperation festzulegen – ein Stück »Normalisierung«, für das man im Gegenzug bereit war, Voigt die nötigen Stimmen im ersten Wahlgang zu verschaffen. Am Dienstag hatte Voigt ein regelmäßiges Gesprächsformat der parlamentarischen Geschäftsführer angeboten und die Linkspartei aufgefordert, bei zentralen Vorhaben ihre Vorstellungen einzubringen.
Von einer Tolerierung der neuen Regierung durch die Linkspartei wollte am Donnerstag aber niemand reden. Voigt konstatierte in seiner Antrittsrede einen »Geist der Zusammenarbeit und einer neuen politischen Kultur«. Christian Schaft, Landes- und Fraktionschef von Die Linke, beharrte darauf, dass seine Partei »eigenständig« agiere. Es gebe aber ein offizielles Gesprächsformat, um zu »demokratischen Mehrheiten zu kommen«. Die Kolandesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig verlangte, dass diese Vereinbarung über die gesamte Legislaturperiode hinweg gilt. Gegen diese Absprachen bestehen auch andernorts keine Einwände: CDU-Chef Friedrich Merz gratulierte Voigt am Donnerstag beim Kurznachrichtendienst X dazu, »unter sehr schwierigen Bedingungen und ohne Zugeständnisse in den Grundsatzfragen unserer Politik« in Thüringen eine Regierung gebildet zu haben.
Allein die AfD gab sich am Donnerstag entschlossen, weiter den Wahn zu pflegen, dass es in Thüringen eine »linke« Regierung gab und sogar noch gibt. Voigt habe »mehr linke Partner als die CDU konservative Werte« und mit seiner Wahl die CDU in Thüringen zu Grabe getragen, erklärte Partei- und Fraktionschef Björn Höcke.
Mit der Wahl von Voigt ist die Erfurter Staatskanzlei wieder – wie schon von 1990 bis 2014 – in der Hand der Union. Der 47jährige Voigt ist derzeit der jüngste Ministerpräsident eines Bundeslandes. In der Thüringer CDU ist der ehemalige Landesvorsitzende der Jungen Union, der eine Dissertation bei dem rechtskonservativen Politikwissenschaftler Eckhard Jesse geschrieben hat, dennoch ein alter Hase.
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