»Einige sind seit Monaten in Warteschleifen«
Interview: Kristian StemmlerSie sind BSW-Mitglied der ersten Stunde, sehen die Entwicklung der Partei aber inzwischen kritisch. Was stört Sie?
Das BSW war im vergangenen Jahr die politische Hoffnung für viele Menschen, insbesondere aus dem Linke-Spektrum. Aber was ist mittlerweile daraus geworden? Es gibt etwa 10.000 Unterstützer bundesweit, von denen viele sehr unzufrieden sind, wie sie behandelt werden. Dann hat die Partei aktuell etwa 1.000 Mitglieder, von denen viele stramm auf Linie des Bundesvorstandes sind. Es gibt Gründungen von Landesverbänden, bei denen Gegenkandidaturen unerwünscht sind. Bei den Gründungsversammlungen sind Presse und Öffentlichkeit soweit eben möglich ausgeschlossen. Wir haben einen Bundesvorstand, der sich in Migrationsfragen weit von anfänglichen Positionen entfernt hat. Er überbietet sich neuerdings in rechten Positionen, aktuell zum Umgang mit syrischen Schutzsuchenden. Das Chaos ist nahezu perfekt.
Erklärungsbedürftig ist, dass Sie mit einem Mitstreiter juristisch gegen die Parteiführung vorgehen wollen. Wie kam es dazu?
Dejan Lazić und ich sind Erstmitglieder im BSW und hatten am ersten Parteitag am 27. Januar 2024 teilgenommen. Bereits dort waren wir erstaunt und irritiert, dass die Wahlen zum Vorstand, zum erweiterten Vorstand sowie zur Europaliste ohne Gegenkandidaten und ohne Fragen durchgezogen wurden. In der Folge zeigte sich, dass diese Vorgehensweise System hatte und auf Wahlen in den Bundesländern übertragen wurde. Zudem werden »Mitglieder im Aufnahmeverfahren«, sogenannte Unterstützer, mitunter seit Januar in Warteschleifen gehalten, dürfen zwar die Arbeit machen, dürfen spenden, jedoch weder aktives noch passives Wahlrecht ausüben. Teilweise hält man diese engagierten Menschen über Monate in Warteschleifen, obwohl von Anfang an klar war, dass sie niemals als Mitglieder aufgenommen werden.
Was haben Sie denn konkret dagegen unternommen, bevor Sie mit der Ankündigung einer Klage in die Öffentlichkeit gegangen sind?
Seit Monaten bemühen wir uns erfolglos um Gespräche, sowohl in Hamburg als auch in Berlin. Zudem haben wir bereits kurz nach dem Parteitag im Januar auf Risiken der Satzungsformulierung hingewiesen und Korrekturvorschläge gemacht. Bereits vor Wochen haben wir das Schiedsgericht des BSW angerufen. Überall wird uns Gehör versagt.
Das Bundesschiedsgericht hat Ihren Antrag, die Parteisatzung zu ändern, im November abgelehnt. Wie wollen Sie jetzt weiter vorgehen?
Der nächste Schritt wäre der Gang zu einem Zivilgericht. Der Schriftsatz ist vorbereitet. Wir haben am Montag noch eine letzte »diplomatische Initiative« auf höchster Parteiebene ergriffen. Dafür haben wir die Einreichung unseres Antrags bei dem Berliner Gericht erst mal zurückgehalten, als Zeichen für unsere Verständigungsbereitschaft.
Die Partei war von Anfang an stark auf die Person von Sahra Wagenknecht zugeschnitten. Das stört Sie inzwischen?
Wir schätzen Sahras Kompetenz. Die Entwicklung im Jahr 2024 zeigt jedoch eine Orientierung hin zu einem strukturellen Personenkult, welcher der Kultur des Umgangs miteinander innerhalb des BSW nicht förderlich ist. Ursprünglich hatte selbst Sahra gefordert, den Parteinamen nach der EU-Wahl zu ändern.
Erst am Wochenende soll der Hamburger BSW-Landesverband gegründet werden. Sie haben bereits ohne Rückendeckung des Bundesvorstandes einen Kreisverband Hamburg-Mitte gegründet und nehmen Mitglieder auf.
Das ist eine Protestreaktion auf die überaus restriktive Aufnahmepraxis des Bundesvorstandes. Parteiliche Willensbildung von unten nach oben wird gezielt verhindert. Wir nehmen auf Bezirksebene die Mitgliedsanfragen zumindest sehr ernst und leiten sie unverzüglich an den Bundesvorstand weiter. Das passiert zumindest in Hamburg auf Landesebene nicht. Dort werden die Anträge in Warteschleifen gehalten.
Norbert Weber war aktiv in der Partei Die Linke in Hamburg und ist jetzt Mitglied im Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 06.12.2024
Scholz mit Baulücke
- 15.11.2024
»Symptomatisch für den Pushback gegen koloniale Aufarbeitung«
- 07.08.2024
Blinder Aktionismus
Mehr aus: Inland
-
»Eine dringend gebotene Notwendigkeit«
vom 13.12.2024 -
Thyssen-Krupp köchelt
vom 13.12.2024 -
Ramelow wählt Nachfolger
vom 13.12.2024 -
Haftstrafe für Neonazis
vom 13.12.2024 -
Faultier auf Valium
vom 13.12.2024 -
Treffer. Versenkt!
vom 13.12.2024