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Aus: Ausgabe vom 16.12.2024, Seite 2 / Inland
Outsourcing im Gesundheitswesen

»Die Kolleginnen hatten die Nase voll«

Niedersachsen: Servicekräfte von Levare sollen ab Juli 2025 wieder direkt für Kreisklinikum arbeiten. Ein Gespräch mit Katharina Schmidt
Interview: Ariane Müller
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Cottbus, 26. Juni: Eine Krankenschwester betreut im Carl-Thiem-Klinikum ein Frühgeborenes

Der Kreistag im niedersächsischen Diepholz hat beschlossen, dass die Servicebeschäftigten der Firma Levare in den drei kommunalen Kreiskrankenhäusern zukünftig nach dem Tarifvertrag im öffentlichen Dienst, TVöD, bezahlt werden. Wie viele Beschäftigte betrifft das?

Rund 190, davon an die 90 Prozent Frauen, arbeiten bei der Levare Servicegesellschaft: in der Krankenhausküche, der Essensverteilung auf Station und der Reinigung aller Flächen inklusive der OP-Säle.

Auf welchem Niveau liegt die Bezahlung?

Das sind Stundenlöhne von um die 13,50 Euro. Es gibt keine Erfahrungsstufen und Weihnachtsgeld nur auf Antrag. Die Zuschläge bei Rufdienst und Einspringen aus der Freizeit sind gering. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten Hand in Hand mit den Pflegekräften auf Station, die nach TVöD bezahlt werden. Das Gefühl, Beschäftigte zweiter Klasse zu sein, hat sich täglich verschärft. Als dann auch nur der halbe Inflationsausgleich an die Levare-Kolleginnen und -Kollegen ausgezahlt wurde, obwohl sie am meisten unter den gestiegenen Preisen leiden, während das Klinikpersonal die vollen 3.000 Euro erhielt, hatten die Levare-Beschäftigten die Nase voll.

Weshalb war die Entscheidung für Bezahlung nach TVöD besonders wichtig?

Durch die Ausgliederung der Servicebereiche droht ihnen Altersarmut – und das in einem kommunalen Krankenhaus! Im Leiharbeits- und Gebäudereinigertarifvertrag gibt es zwar je nach Stellenanforderung unterschiedliche Entgeltgruppen. Wer also – wie viele Levare-Beschäftigte – seit fünf, zehn oder 15 Jahren dort arbeitet, bleibt beim tariflichen Stundenlohn und erhält nicht automatisch gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit sukzessive mehr Geld. Wegen des geringen Gehalts können viele Stellen nicht mehr besetzt werden, die Beschäftigten klagen über eine hohe Fluktuation und Krankenstände, die Arbeitsbelastung ist hoch.

Seit wann gibt es die Firma?

Levare ist eine gGmbH und war 2005 als Tochter des Klinikverbundes Diepholz gegründet worden. Dem Landkreis fehlten die Mittel zur Krankenhausfinanzierung. Aus der Not heraus hatten damals auch Arbeitnehmervertretungen für die Ausgliederung gestimmt. Nachdem aber die Zeit der Haushaltskonsolidierung vorbei war, setzten sie sich für die Rückführung ein. Alle sind hartnäckig geblieben und mit der starken Organisierung der Beschäftigten dieses Jahr gab es kräftigen Rückenwind für die Veränderung.

Ab wann können die Beschäftigten mit dem TVöD-Lohn rechnen?

Der Kreistag stimmte dafür, die Kreisverwaltung mit der Überführung der Levare-Beschäftigten in den TVöD zum 1. Juli 2025 zu beauftragen. Die Verwaltung hat sechs Monate Zeit zur Umsetzung. Die Servicebeschäftigten werden dann auch wieder unter dem Schutz des Betriebsrates des Klinikums stehen, nachdem ihr eigener sich vor Jahren aufgelöst hatte. Verdi unterstützt den Betriebsrat bei der Überleitung der »neuen« Kolleginnen und Kollegen. Es wird noch auszuhandeln sein, welche Entgeltgruppen für welche Tätigkeiten greifen und wie die Betriebszugehörigkeiten angerechnet werden.

Wie ist Ihnen das alles überhaupt gelungen?

Noch vor einem halben Jahr war nicht klar, dass wir Erfolg haben würden. Wir brauchten zunächst die Zusage der größten Fraktionen des Kreistags. Die Kolleginnen und Kollegen der Levare und ich haben mit unseren Verdi-Aktiven vor Ort den Tag der Arbeit im Landkreis genutzt, um die versammelten Politikerinnen und Politiker auf den Handlungsdruck hinzuweisen. Danach haben wir uns zu Gesprächen in den Kreistagsfraktionen von CDU, Grünen und SPD »eingeladen«. Dort haben die Kolleginnen von ihren Arbeitsbedingungen berichtet und von dem Druck, den der niedrige Stundenlohn auslöst. Die Landratswahl hat CDU-Kandidat Volker Meyer gewonnen. Wir haben die Gespräche noch intensiviert und die SPD reichte schließlich die Anträge ein. Beide Parteien bilden die Mehrheit im Kreistag.

Gab es gar keinen Gegenwind?

Das größte Gegenargument war immer: »Der Landkreis hat kein Geld.« Die Kolleginnen und Kollegen haben dem entgegengesetzt: »Ihr habt die letzten Jahre auf unsere Kosten gespart und wenn wir Wohngeld beziehen und später unsere Renten aufstocken müssen, fällt es euch an anderer Stelle auf die Füße.«

Katharina Schmidt ist Verdi-Gewerkschaftssekretärin im Bezirk Bremen-Nordniedersachsen

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