»Das ist nichts anderes als ein Berufsverbot«
Interview: Henning von StoltzenbergSie haben wegen Ihres politischen Engagements Ihren Arbeitsplatz verloren. Wie wurde die Kündigung begründet?
Mit meiner angeblich »verfassungswidrigen Gesinnung«, da ich für die Initiative Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) aktiv gewesen bin. Es wurde deshalb eine ordentliche »personenbedingte« Kündigung zum 31. Dezember ausgesprochen. Weiter wird behauptet, ich sei wegen fehlender persönlicher Eignung nicht in der Lage, die geforderte Arbeitsleistung zu erbringen und die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers seien deshalb erheblich beeinträchtigt.
Die Palästina Solidarität Duisburg ist von einer Verbotsverfügung betroffen, gegen die eine Klage anhängig ist.
Die angebliche »verfassungswidrige Gesinnung« wird tatsächlich nicht nur auf meine Mitgliedschaft bei der PSDU, sondern auch auf meine Klage gegen deren Verbot gestützt. Zusätzlich behauptet mein Arbeitgeber, ich könnte als IT-Mitarbeiter meine Zugänge missbrauchen, um unbefugt auf bestimmte besonders sicherheitsempfindliche Systeme zuzugreifen. Dafür benennt er jedoch keine einzige Tatsache oder gibt irgendeinen konkreten Anhaltspunkt. Es handelt sich ausschließlich um Unterstellungen, die dazu dienen, mich zu diffamieren und mich aufgrund meines politischen Engagements zu kündigen.
Das klingt nach Berufsverbot.
Das ist es faktisch auch und erinnert an die mit den Berufsverboten verbundene Gesinnungsjustiz. Wie erwähnt, wird mir unterstellt, ich könnte meine IT-Zugänge ausnutzen. Dieser Vorwurf ist ein Alarmsignal für potentielle zukünftige Arbeitgeber. IT-Mitarbeitern auf der ganzen Welt werden Zugänge zu bestimmten Systemen und Daten gewährt. Das bedeutet aber nicht, dass sie unkontrolliert auf alles zugreifen können. Es gibt Sicherheitsmechanismen und Protokolle, die jeden Zugriff nachverfolgbar machen. Mein Arbeitgeber ignoriert das völlig. Wenn ich diese Vorwürfe so stehenlasse, ist meine berufliche Karriere im IT-Bereich praktisch beendet. Deshalb ist das nichts anderes als ein Berufsverbot.
Wie haben Sie von der Kündigung erfahren?
Nach dem Verbot der PSDU und der Durchsuchung meines Arbeitsplatzes Mitte Mai war ich bis Mitte Juni im Urlaub und habe Überstunden abgebaut. Seit Juni bin ich bei vollem Gehalt suspendiert. Seitdem habe ich von meinem Arbeitgeber nichts mehr gehört. Am 14. November habe ich die Kündigung per Post erhalten. Ansonsten hat mein Arbeitgeber bis heute keinen Kontakt zu mir aufgenommen.
Werden Sie rechtlich gegen die Kündigung vorgehen?
Ich habe bereits rechtliche Schritte eingeleitet. Am 29. November habe ich eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Damit beginnt der juristische Kampf, um meine Grundrechte zu verteidigen und zu verhindern, dass ein weiterer Präzedenzfall geschaffen wird. Einer, der es ermöglichen würde, Menschen aufgrund ihrer politischen Überzeugungen im Zusammenhang mit der Palästina-Solidarität zu diffamieren und zu kündigen.
Was möchten Sie mit der Klage erreichen?
Selbstverständlich möchte ich weiterarbeiten. Ich habe ausdrücklich auch einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt. Ich war immer zufrieden mit meiner Arbeit, und mein Team war auch zufrieden mit mir. Es gab nie Probleme oder Gründe zu Beanstandungen. Im Gegenteil: Ich wurde stets gelobt und geschätzt.
Von wem erfahren Sie Solidarität?
Viele Menschen, Genossen und Freunde haben sich hinter mich gestellt. Gleichzeitig wünsche ich mir noch mehr Unterstützung durch Gewerkschaften und Organisationen, die in ähnlichen Situationen oft eine entscheidende Rolle spielen. Leider hemmen Ängste vor möglichen Repressionen viele. Hinzu kommt, dass Vorwürfe, wie etwa der des Antisemitismus, oftmals gezielt genutzt werden, um jegliche Kritik an der Politik Israels zu unterbinden. Dadurch werden Diskussionen erschwert und solidarische Bewegungen weiter geschwächt. Ich lasse das nicht mit mir machen. Ich werde bis zum Ende kämpfen. Wenn ich gewinne, habe ich nicht nur meinen Job zurück, sondern auch ein wichtiges Zeichen im Kampf um demokratische Rechte gesetzt.
Ahmad Othman ist ehemaliges Mitglied der von einer Verbotsverfügung betroffenen »Palästina Solidarität Duisburg« (PSDU) und arbeitet in der IT-Branche
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 14.12.2024
»Die israelische Regierung ist ein wichtiger Kunde«
- 07.11.2024
Alle für Albanese
- 27.09.2024
Keine sichere Leitung
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Starker Anstieg bei Zwangsräumungen
vom 16.12.2024 -
»Die Kolleginnen hatten die Nase voll«
vom 16.12.2024 -
Gerechtigkeit für Mouhamed
vom 16.12.2024 -
Faschistendemo gefloppt
vom 16.12.2024 -
Öffentlichkeit gegen Generalverdacht
vom 16.12.2024 -
Der Blume-Hersteller
vom 16.12.2024 -
Kleiner Erfolg gegen Streikbruch
vom 16.12.2024